Während seiner Straßburger Studentenzeit (1770/1771) war Johann Wolfgang von Goethe (1749 - 1832) mehrmals Gast bei der Familie des Sesenheimer Pfarrers Brion. In dessen jüngste Tochter Friederike verliebte er sich und widmete ihr mehrere Gedichte, die unter der Bezeichnung „Sesenheimer Lyrik" in die Literaturgeschichte eingegangen sind. Sie rühren auch heute noch nicht nur verliebte Paare an.
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meine Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!
Dich sah ich, und die milde Freude
Floß von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich ─ ihr Götter!
Ich hofft es, ich verdient' es nicht!
Doch ach, schon mit der Morgensonne
verengt der Abschied mir das Herz
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
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Entnommen dem Buch: „Reden wir von der Liebe". Hrsg.: Florian Russi, erschienen 2007 im Bertuch Verlag Weimar.
Bilder:
- Vorschaubild: Friederike Brion in Elsässer Tracht
- Bild im Text: Abschied. Gemälde von © Edith Born