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N wie Ninive
Erzählungen

In metaphorisch einprägsamen Stil  werden verschiedene Schicksale erzählt, die ihren Haupthelden alles abverlangen, sie an ihre Grenzen bringen. Bei der Frage nach der Schuld, nach Gerechtigkeit und Gott verstricken sich Zukunft und Vergangenheit. 

"Er hat einen eigenen Ton, ein bisschen mecklenburgisch erdenschwer, aber dann auch wieder sehr poetisch"

Frankfurter Allgemeine 07.10.2014 Nr. 232 S. 10 

Die Grenadiere

Die Grenadiere

Heinrich Heine

„Was schert mich Weib, was schert mich Kind“

Heines Gedicht handelt von zwei Soldaten aus der Armee Napoleons, die aus russischer Gefangenschaft zurückkehren. Sie gehören zu den wenigen Überlebenden aus dessen Russlandfeldzug. In Deutschland erfahren sie, dass ihr Kaiser besiegt und in Gefangenschaft geraten ist. Das trifft die beiden, die fanatische Anhänger des Geschlagenen sind, bis tief ins Mark.

Das Gedicht ist ein hohes Lied auf Napoleon. Die Grenadiere stellen dessen Erfolg über das eigene Leben. Höhepunkt ist die Aussage des einen: „Was schert mich Weib, was schert mich Kind, ich trage weit bessres Verlangen“. Solche Worte aus der Feder des Liberalen Heinrich Heine machen stutzig. Doch Heine war, wie er selbst sagt, ein Anhänger Napoleons. Dies hing vielleicht damit zusammen, dass der Franzose Heines Geburtsstadt Düsseldorf besetzt und dort bürgerliche Freiheitsrechte eingeführt hatte.

Heine lässt die Grenadiere nicht fragen, was der Franzosenkaiser in Russland überhaupt zu suchen und wieso er für diesen anmaßenden Feldzug das Leben von tausenden ihrer Kameraden geopfert hatte. Er stellt auch kein noch so kurzes Gedicht entgegen, in dem eine Witwe um den Verlust ihrer in den napoleonischen Kriegen gefallenen Söhne trauert. Heine hat großartige Freiheitsgedichte geschrieben. Doch von der Freiheit zur Brüderlichkeit und zum Humanismus ist es kein selbstverständlicher Weg.

Anmerkung:
Anstatt sich umzubringen, dem Kameraden die Last des Leichentransports aufzubürden und im Grab untätig auf die Rückkehr seines Kaisers zu warten, hätte der erste Grenadier besser daran getan, nach Frankreich zurückzukehren und sich um Frau und Kind zu kümmern. Dann hätte er auch rechtzeitig von der Wiederkehr Napoleons erfahren und sich ihm voller Begeisterung wieder anschließen können.

Florian Russi

 

Die Grenadiere

Nach Frankreich zogen zwei Grenadier,
Die waren in Rußland gefangen.
Und als sie kamen ins deutsche Quartier,
Sie ließen die Köpfe hangen.

Da hörten sie beide die traurige Mär:
Dass Frankreich verloren gegangen,
Besiegt und zerschlagen das große Heer -
Und der Kaiser, der Kaiser gefangen.

Da weinten zusammen die Grenadier
Wohl ob der kläglichen Kunde.
Der eine sprach: Wie weh wird mir,
Wie brennt meine alte Wunde!

Der andre sprach: Das Lied ist aus,
Auch ich möcht mit dir sterben,
Doch hab ich Weib und Kind zu Haus,
Die ohne mich verderben.

Was schert mich Weib, was schert mich Kind,
Ich trage weit bessres Verlangen;
Lass sie betteln gehn, wenn sie hungrig sind -
Mein Kaiser, mein Kaiser gefangen!

Gewähr mir, Bruder, eine Bitt‘:
Wenn ich jetzt sterben werde,
So nimm meine Leiche nach Frankreich mit,
Begrab mich in Frankreichs Erde.

Das Ehrenkreuz am roten Band
sollst du aufs Herz mir legen;
Die Flinte gib mir in die Hand,
Und gürt mir um den Degen.

So will ich liegen und horchen still,
Wie eine Schildwach, im Grabe,
Bis einst ich höre Kanonengebrüll
Und wiehernder Rosse Getrabe.

Dann reitet mein Kaiser wohl über mein Grab,
Viel Schwerter klirren und blitzen;
Dann steig ich gewaffnet hervor aus dem Grab,
Den Kaiser, den Kaiser zu schützen.

*****

Vorschaubild: Französischer Grenadier (links) und Voltigeur (rechts) im Jahr 1808. Aus dem Buch von P.-M. Laurent de L'Ardeche  1843. gemeinfrei, via wikimedia commons

Grenadier. Gemälde von Jean Baptiste Édouard Detaille, gemeinfrei, via wikimedia commons (Ausschnitt bearb.),

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