Bei diesem Gedicht des bekannten deutschen Dichters Hoffmann von Fallersleben könnte der Leser beinah Mitleid mit dem frostigen Gesellen, dem Winter, empfinden. Erhält erst der Frühling Einlass in die Welt, muss der kalte Bruder vor „Sonne milden Schein“ fliehen. Verwirrt streift er dann über Felder und durch Wälder auf der Suche nach seinem „weißen Kleid“. Doch vergebens ist seine Suche. Und wenn sogar die Frösche schon vor Ostern beginnen, ihr Quakkonzert zu geben, dann weiß der Winter, dass er endlich ganz das Weite suchen muss.
Carolin Eberhardt
Dem Winter wird der Tag zu lang,
Ihn schreckt der Vögel Lustgesang;
Er horcht, und hört’s mit Gram und Neid,
Und was er sieht, das tut ihm leid;
Er flieht der Sonne milden Schein,
Sein eigner Schatten macht ihm Pein;
Er wandelt über grüne Saat
Und Gras und Keime früh und spat:
Wo ist mein silberweißes Kleid?
Mein Hut, mit Demantstaub beschneit?
Er schämt sich wie ein Bettelmann,
Und läuft, was er nur laufen kann.
Und hinterdrein schwerzt Jung und Alt
in Luft und Wasser, Feld und Wald;
Der Kiebitz schreit, die Biene summt,
Der Kuckuck ruft, der Käfer brummt;
Doch weil’s noch fehlt an Spott und Hohn,
So quakt der Frosch vor Ostern schon.
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Vorschaubild: Frühblüher im Schlosspark Belvedere, Februar 2021; von Carolin Eberhardt.