In einem Vortrag sprach der Geschichtsprofessor davon, dass in dem Krieg, der das Land einige Jahre zuvor heimgesucht hatte, auch eine Hungersnot geherrscht hätte. Am Ende seiner Rede meldete sich eine Zuhörerin zu Wort und erklärte: „Sie sprachen von einer Hungersnot. Das klang wie Statistik. Durch die Hungersnot sind Abertausende elend und grausam gestorben. Wissen Sie, wie es ist, wenn ein kleines Kind vor Hunger bitterlich weint und Sie ihm in ihrer Verzweiflung nur einen Fetzen Stoff in den Mund stecken können? Der Hungertod ist entsetzlich grausam. Ich habe ihn mit meiner Familie erlebt. Meine Großmutter hat es auf sich genommen, auf jedes Essen zu verzichten, um das Wenige, was uns zur Verfügung stand, den Kindern der Familie zu überlassen. In höchster Verzweiflung haben wir unsere Katze Minis getötet, um wenigstens ein bisschen Nahrung zu haben. Es hat nur für wenige Tage gereicht. Meine Mutter ist gestorben und eine Reihe meiner Verwandten. Meine beste Freundin war so ausgemergelt, dass ich sie nicht wiedererkannt habe. Unsere Toten konnten nicht bestattet werden. Die dafür Zuständigen waren zu schwach, um die notwendigen Handlungen vorzunehmen. Ich könnte noch viel Weiteres erzählen. Ich selbst habe nur überlebt, weil mir eine Dame aus der Nachbarschaft zwei Brote geschenkt hat, die eigentlich für ihren verstorbenen Sohn gedacht waren. Von einer Hungersnot würde ich aber nicht sprechen. Es waren Terror, Menschenverachtung und Schwerstverbrechen. Diejenigen, die ihnen zum Opfer fielen, können wir heute leider nicht mehr hören.“
Fazit: Begriffe sagen oft nichts aus über das, was wirklich geschah.
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Vorschaubild: Irish potato famine Bridget O'Donne, 1849, Urheber: Image, Caption via Wikimedia Commons Gemeinfrei.