Was wäre ein Herbst ohne das traditionelle Drachensteigen. Es lässt Kinderherzen höherschlagen. Nichts ist dabei bedeutender, als der Augenblick, in dem ein Kind seinen eigenen Drachen ganz allein in die Lüfte steigen lässt. Lange kann dann der bunte Flattermann in allen Formen und Farben am Himmel beobachtet werden. Sein fröhlicher Tanz im Wind wirkt am allerschönsten vor einem klarblauen Herbsthimmel. Der deutsche Dichter Hoffmann von Fallersleben ist dafür bekannt, in seinen Werken kindliche Fantasien zu verarbeiten. Doch schwingt in seinen Gedichten auch stets etwas Tiefgründiges mit. So ist der Drache in diesem Stück das Sinnbild für ein ungestilltes Fernweh, denn er kann von oben aus der Luft weit in die Welt schauen, vielleicht sogar an Orte, an denen keiner je zuvor war. In der letzten Strophe vergleicht der bekannte deutsche Dichter den Drachen mit einem Reisenden, der trotz seiner Erfahrungen in der Ferne aus Heimatverbundenheit in alte Gefilde zurückkehrt.
Carolin Eberhardt
1. Strophe
Steig, Drache, steig zum Himmel hinan!
Hoch oben sieh die weite Welt dir an!
2. Strophe
Sieh an dir die Berge, die Täler und Au´n!
Du mußt dir alles ganz genau beschau´n!
3. Strophe
Der Drache hört´s und verläßt das Feld,
Er will sich anseh´n ganz genau die Welt.
4. Strophe
Er hat sich noch lange nicht satt geseh´n
Jetzt bleibt er oben in den Lüften stehn.
5. Strophe
Nun aber wendet er seinen Flug
Er kehret schon zurück, er sah genug. —
6. Strophe
Und mancher sieht manch Land und Meer
Und kommt zuletzt zur Heimat wieder her.
Notendownload: Das Lied vom Drachen (Noten)
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Vorschaubild: Bunter Drachen am blauen Herbsthimmel, Urheber: Carolin Eberhardt.
Noten gesetzt von Carolin Eberhardt.