Zwei Männer kannten sich von Jugend an und waren gemeinsam in dieselbe Schulklasse gegangen. Der einen hatte einen frohgestimmten Charakter, der andere war sehr intelligent, darüber hinaus aber auch sehr eifersüchtig. Wenn der eine, was nicht oft vorkam, bessere Schulnoten hatte, redete der andere tagelang kein Wort mehr mit ihm. Die Eifersüchteleien setzten sich fort, als die beiden dasselbe Fach studierten und ihr Examen ablegten. Als der eine sich in eine Mitstudentin verliebte und sie später heiratete, war der andere neidisch, obwohl die Auserwählte nicht sein Typ war und er sich eine andere Kollegin zur Frau nahm. Trotz dieser Rivalitäten blieben die Beiden sich eng verbunden. Von außen gesehen hätte man sie für allerbeste Freunde halten können.
Als der eine eine leitende Stelle in einem Unternehmen antrat, ruhte der andere nicht eher, als bis er in einer vergleichbaren Firma eine noch höhere Position erlangte. Als der eine für sein soziales Engagement eine staatliche Ehrung erhielt, beklagte der andere sich bei seiner Frau, dass ihm wegen vieler anderer Verpflichtungen zu wenig Zeit für ehrenamtliche Tätigkeiten blieb. Als der eine ein Sachbuch veröffentlichte, kritisierte der andere dessen Inhalt. Als das Buch dann in einigen Medien gelobt wurde, erklärte der andere gegenüber seiner Frau, dass sein Freund es schon immer verstanden habe, wichtige Beziehungen zu knüpfen. „Ich kenne ihn lange genug. Er wird überschätzt. Eigentlich hat er immer nur „Schwein“ gehabt.“
So ging es zwischen den beiden weiter. Eines Tages überraschte seine Frau den anderen mit der Nachricht: „Ich habe gerade eine Mail bekommen. Dein Freund ist mit dem Auto verunglückt. Es muss ein schmerzhafter Tod gewesen sein. Nun hast du keinen Anlass mehr, ihn zu beneiden.“
Wenig später kam der Andere missmutig und übel gelaunt nach Hause. „Was ist mit dir?“, fragte ihn seine Frau. „Hattest du Ärger in deiner Firma?“
„Nein“, antwortete er. „Ich komme von seiner Beerdigung. Da waren Himmel und Menschen. Weiß der Geier, warum die alle kamen. Es muss wohl daran gelegen haben, dass er den tragischen Unfall hatte.“
Fazit: Eifersucht sucht und findet immer neue Gründe.
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Vorschaubild: A face expressing hatred or jealousy. Etching in the crayon Wellcome V0009343, 2014, https://wellcomeimages.org/indexplus/image/V0009343.html; bereitgestellt von: Fæ via Wikimedia Commons CC BY 4.0.