„Ihr werdet es mir nicht glauben, doch für heute Abend habe ich einen ganz besonderen Gast zu unserer Versammlung eingeladen“, sagte der Vorsitzende einer Partei zu seinen Mitgliedern. „Vor zweitausend Jahren haben wir ihn aus Europa vertrieben. Nun ist er wieder da, ich habe ihn gerufen: Es ist kein Geringerer als der Göttervater Zeus, hochmächtig und unsterblich. Hört ihn euch an!“

Plötzlich und unvorbereitet stand er mitten unter ihnen. Er war von beeindruckender Gestalt, winkte der versammelten Menschenmenge zu und sprach sie an:

„Euer Vorsitzender hat mich gebeten, zu euch über die Demokratie zu reden. Er will sie abschaffen, hält sie nicht für geeignet, um ein Volk in die Zukunft zu führen.“

„Ja, das tue ich“, unterbrach ihn der Vorsitzende. „Ich will, dass du als mächtiger Gott über uns herrschst und ich selbst bin bereit, für dich die Verwaltung aller menschlichen Dinge zu übernehmen.“

„Im antiken Griechenland, wo ich von allen Bewohnern als oberster Gott anerkannt worden bin“, setzte Zeus fort, „gab es unterschiedliche Herrschaftsformen, Königreiche, Diktaturen, Tyranneien und in Athen auch die erste Demokratie. Demokratie ist nicht naturgegeben. Sie muss erlernt und gepflegt werden. Diktaturen sind aber auch nicht naturgegeben. Nie wird ein Diktator durch die Natur bestimmt. Diktatoren kommen meistens durch Staatsstreiche oder Putsche an die Macht. Als Gott werde ich geboren, als Diktator nicht. Wenn ihr einen Diktator an der Spitze haben wollt, könnt ihr ihn auslosen oder wählen. Zum Diktator wird er dann aber erst, wenn ihr all seinen Entscheidungen folgt und er euch verbietet, sich ihm zu widersetzen oder ihn gar abzuwählen. Wer einen Diktator haben möchte, verbietet sich den Mund, scheint also nicht viel von sich selbst zu halten.

Da ich euch wohlgesonnen bin, will ich euch gerne beraten. Als Gott wäre es mir durchaus möglich, über euch zu herrschen. Doch warum wollt ihr das? Könnt ihr nicht über euch selbst bestimmen? Habt ihr keine Würde?

Nachdem, was ich sehe, gibt es mehrere Gründe dafür, dass viele von euch an der Demokratie zweifeln. Einige verstehen die Zusammenhänge nicht und sind schlichtweg dumm, andere hoffen, dass sie selbst an Macht hinzugewinnen, wenn viele andere schweigen. Wieder andere, und ihre Zahl hat zugenommen, sind zwar intelligent und gebildet, aber seelisch gestört. Es gibt eine Reihe von seelischen Krankheiten, wie Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, übertriebene oder unbegründete Ängste, Xenophobie, bipolare Störungen, Narzissmus oder Machtgier. Diese Krankheiten oder Störungen sind meist nicht schnell zu erkennen. Wie andere auch, können sie vorübergehend sein. Ich muss euch sagen: Zurzeit herrscht unter den Menschen eine seelische Pandemie. Wir Götter können euch nicht da heraushelfen. Das müsst ihr selber tun.

Gründe für die Pandemie sind die elektronischen Medien, welche die Menschen in vieler Hinsicht überfordern, weiterhin die Ängste vor Überforderung sowie der Verlust von gemeinsamen Werten. Auch Corona, die Pandemie, die den Körper in Unruhe versetzte und Millionen Menschen tötete, hat dazu geführt, dass viele mit seelischen Irritationen darauf reagiert haben. Dazu sind Therapien gefragt. Zur Demokratie aber möchte ich euch sagen: Ein Staat braucht Führung. Der und die Führer müssen stark und durchsetzungsfähig sein. Wichtig ist, dass man sie, wenn sie versagen, wieder abwählen kann. Das ist das Entscheidende: Bei Tyrannen bleibt nichts Anderes übrig, als sie mit Gewalt zu beseitigen, solange dies noch möglich ist.

Als Gott gebe ich euch Menschen diesen Rat, als Regierungschef stehe ich nicht zur Verfügung.“

Fazit: Menschlichkeit erfordert gemeinsames und besonnenes Vorgehen.

Oder: „Die Demokratie ist die schlechteste Herrschaftsform – außer allen anderen.“ (Winston Churchill)

Oder: „Das Entscheidende an der Demokratie ist, dass man einen ungeeigneten Regierungschef friedlich wieder abwählen kann.“ (Karl Popper)

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Vorschaubild: illustrations/demokratie-wegweiser-schild-1536654/, Urheber: Gerd Altmann auf Pixabay; Zeus Otricoli Pio-Clementino Inv257, 2018, Urheber (Foto):  Jastrow via Wikimedia Commons Gemeinfrei; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.