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Horst Nalewski

Goethe hat ihn bewundert

Goethes Begegnungen mit Felix Mendelssohn Bartholdy

Der Musikkenner und international geachtete Literaturwissenschaftler Horst Nalewski erzählt anhand fünf ausgewählter Beispiele von dem außergewöhnlichen Aufeinandertreffen und Zusammenwirken zweier Künstler. Hörbeispiele sind über QR-Codes abrufbar.

Wehmut

Wehmut

Walther von der Vogelweide

 

Walther von der Vogelweide war der bedeutendste deutschsprachige Minnesänger, doch ist weder seine Herkunft, noch sein Lebensweg sicher überliefert. Aus seinen Liedern und Gesangstexten wissen wir nur, dass er von Schloss zu Schloss und von Burg zu Burg gereist ist und sich vielen Fürsten und Grafen angedient hat. Als Sänger war er gefragt und dennoch musste er ständig um Anerkennung kämpfen. Das lag wohl daran, dass er nicht von hohem Adel war und nach den Gesetzen seiner Zeit daher trotz seiner Talente gesellschaftlich ein Außenseiter blieb. So musste er erfahren, dass seine Kunst begehrt und geachtet war, aber nur wenig Einfluss auf Macht und Herrschaft auf den Fürstenhöfen hatte. Das machte er auch im dem folgenden Text deutlich. Der gefeierte Sänger litt an der rauen Wirklichkeit der Politik.

Florian Russi

 

Oh weh! wohin verschwunden / sind alle meine Jahr!

Ist mir mein Leben geträumet / oder ist es wahr?

Was ich für wirklich hielte / war es Wahn und leer?

So hab ich denn geschlafen / und weiß es nimmermehr.

Nun bin ich erwachet / und ist mir unbekannt,

Was mir vertraut war einstens / wie die eigne Hand.

Leut und Land, darin ich / von Kind auf bin erzogen.

Die sind mir fremd geworden, / als wäre es erlogen.

Die mir Gespielen waren, / die sind träg und alt:

Gemäht ist das Gefilde, / geschlagen ist der Wald.

Nur das Wasser fließet, / wie es einstens floß.

Fürwahr! Ich glaub, mein Unglück / auf in Samen schoß.

Mich grüßt so mancher lässig, / der mich noch kennen soll:

Die Welt ist allenthalben / Griesgrams übervoll.

Wenn ich gedenk an manchen / glücksbesonnten Tag.

Die sind mir zerstoben / Wie in das Meer ein Schlag:

Immerdar o weh!

 

Oh weh! wie junge Leute / verzehren sich im Gram,

Die einst in Deutschlands Frühling / Begeisterung überkam.

Sie kennen nichts als Sorgen: / oh weh! was quält sie so?

Wohin ich mich auch wende, / da ist keiner froh.

Tanzen, Lachen, Singen / zergeht vor Sorgen gar.

Nie sah man unter Christen / so gramverzehrte Schar.

Den Kopfschmuck schaut der Damen, / einst mit Geschmack gepflegt,

Der stolze Ritter jetzt das Wams / eines Bauern trägt.

Uns ist verwünschte Nachricht / jüngst aus Rom gekommen:

Uns ist die Trauer / und Freude ganz genommen.

Das schmerzt mich in der Seele / - wir kannten kaum Verdruß

Daß ich nun, statt zu lachen, / bitter weinen muß.

Die Vögel in dem Walde / betrübet unsre Klage.

Das Wunder ist, wenn ich darob / an Freuden ganz verzage.

Doch halt! Was sprech ich da im Zorn / ein unbeherrschter Tor?

Wer nach dem Glück der Welt jagt, / das ewige drum verlor.

Immerdar o weh!

 

O weh! wie wir mit süßen Dingen / vergiftet sind!

Ich sehr die bittere Galle / in dem Honig schwimmen.

Die Welt ist außen schön / weiß, grün und rot,

Und innen von schwarzer Farbe / finster ist der Tod.

Wen sie nun habe verführt / der schaue auf seine Rettung:

Es wird durch eine schwache Buße / von großer Sünde erlöst.

Daran gedenket, ihr Ritter, / es ist euer Ding!

Ihr tragt die leuchtenden Helme / und die harten Panzer,

dazu die festen Schilde / und die geweihten Schwerter.

Wollte Gott, ich wäre / der künftigen Siege würdig,

So wollte ich armer Mann / mir reichen Lohn verdienen.

Jedoch meine ich nicht die Güter / noch das Gold der Herren.

Ich wollte ewig / die Krone der Seligkeit tragen.

Die konnte ein Söldner / mit seinem Speer erjagen.

Könnte ich die heilige Reise / über das Meer machen,

So wollte ich wohl denn singen / und nimmermehr o weh!

 

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Bilder: Pixabay - gemeinfrei

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