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Der verliebte Schwan und 35 weitere Fabeln

Florian Russi
Mit Zeichnungen von Jean Gies

»Die Fabeln von Florian Russi spiegeln unser tägliches Verhalten wider. Sie regen an zum kreativen Nachdenken über sich selbst. Nicht belehrend, sondern unterhaltend. Deswegen sind Fabeln heute wieder so modern.«

Benedikt Otto, mdr

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Die Esel und der Löwe

Die Esel und der Löwe

Florian Russi

Zum wiederholten Male trafen sich die Esel zu einer Versammlung, blökten laut ihr „ia" und scharrten mit den Hufen. Als ein Löwe sich hinzugesellte, schrien sie ihn an: „Du hältst dich wohl für etwas besseres als wir es sind. Wieso maßt du dir den Titel ‚König der Tiere‘ an? Auch wir sind Könige und verlangen von dir, dass du das auf der Stelle anerkennst."


Der Löwe sah sich einer Übermacht von Eseln gegenüber und versuchte ihnen zu schmeicheln. „Selbstverständlich seid auch ihr Könige, jeder auf eine besondere Art. Den Titel ‚König der Tiere‘ habe ich mir außerdem nicht selbst gegeben. Es waren Menschen, die mich so bezeichnet haben."
„Von jetzt an sind wir alle gleich"
, antworteten die Esel und redeten sich von da an nicht mehr nur mit ihren Vornamen, sondern auch als Könige, bzw. Prinzen und Prinzessinnen an. Ihr Wortführer hieß Eduard, von jetzt an „König Eduard". Er trat vor und forderte den Löwen auf, zu seinen Artgenossen zu laufen und auch ihnen davon zu berichten, dass es zukünftig keine Unterschiede mehr geben dürfe im Reich der Tiere. Der Löwe war froh, sich verabschieden zu können, und versprach, dem Ansinnen vom König Eduard sofort Folge zu leisten.

Wenig später begegnete er dem Anführer der Esel aufs Neue. Der war diesmal allein und beschwerte sich darüber, dass seine Gefährten, obwohl sie inzwischen doch zu Königen geworden waren, immer noch von den Menschen dazu eingesetzt wurden, Karren zu ziehen oder schwere Lasten zu tragen.
„Du aber bist schon ein richtiger König und hast dich von der schweren Arbeit befreit. Komm mit mir zu meiner Familie und lass uns gemeinsam überlegen, wie wir das Problem lösen können", antwortete der Löwe.



Als die beiden bei der Familie des Löwen eintrafen, stellte dieser den Esel als den „Kollegen König Eduard" vor. Die Familie aber fiel über den Esel her, tötete ihn und fraß ihn auf. Jetzt wusste sich der Löwe keinen Rat mehr. Seine Frau und seine Kinder aber forderten ihn auf, ihnen noch viele weitere Könige vorzustellen.

Fazit:
Es ist nicht der Titel, auf den es ankommt.

*****

Teaserfoto: pixabay, aus zwei Bildern zusammengefügt und neu bearbeitet von Kati Spantig, Urheber beider Bilder: ClkerFreeVectorImages (gemeinfrei, kein Bildnachweis nötig)

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