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Die Bunte-Kinder

Johannes E. R. Berthold

Dies ist ein Buch über wahre und heitere Begebenheiten von aufgeweckten Kindern, für Menschen, die sich ihr kindliches Gemüt bewahrt haben und für Kinder, denen Romantik noch etwas bedeutet.

Der getreue Eckart

Der getreue Eckart

Johann Wolfgang von Goethe

Fatale Angelegenheit

Der getreue Eckart ist eine in der Literatur bekannte Märchen- und Sagenfigur. Ihren Ursprung hat sie wohl in den Niederlanden. Der Schriftsteller Jörg Wickram (1505 -1562) schrieb vom „trewen" Eckart. In späterer Zeit erscheint er in der zweiteiligen Erzählung „Der getreue Eckart und der Tannhäuser" von Ludwig Tieck (1773 - 1853) und in einer Sagenerzählung von Ludwig Bechstein (1801 - 1860). Eckarts Rolle ist dabei die des loyalen Mahners und Beraters. Er prägt sich ein als Musterbeispiel eines redlichen, unbestechlichen und zuverlässigen Begleiters und Mitstreiters. Er ist ein Held, wie ihn sich jeder, der mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat, an seiner Seite wünscht.

Goethes Eckart ist von einer etwas anderen Statur. Es scheint so, dass der Dichter sich des Namens nur wegen seines Wohlklangs bedient hat, so wie er es z. B. auch im Türmerlied (Faust II) mit Lynkeus tat, der nichts mit dem Sagenhelden zu tun hat. Die Anfangszeile „O wären wir weiter, o wär ich zu Haus!" ist sprichwörtlich geworden. Was aber sagt der weitere Text der Ballade?

Da ist von Kindern die Rede, die für ihre Eltern Krüge mit Bier abholen sollen und befürchten, dass „unholde Schwestern" durstig von der Jagd zurückkommen und ihnen die Krüge leer trinken. Da gesellt sich der getreue Eckart zu ihnen, behauptet, es gut mit ihnen zu meinen, und fordert sie auf, die Unholden trinken zu lassen und ihren Eltern nichts davon zu verraten. Die Kinder folgen seinem Rat, gehen mit leeren Krügen nach Hause und erwarten, von ihren Eltern gescholten und geschlagen zu werden. Doch Eckart bewirkt ein Wunder, so dass die Krüge wieder gefüllt sind und es selbst dann noch bleiben, nachdem die Eltern eifrig daraus getrunken haben. Doch dann plötzlich versiegt die wundersame Bierquelle und die Krüge bleiben trocken, weil die Kinder nicht den Mund halten konnten und geplaudert haben.

Die Geschichte vom guten Onkel, der Kindern verbietet, mit ihren Eltern über ihre Erlebnisse zu sprechen, ist - nicht nur aus heutiger Sicht - eine höchst fatale Angelegenheit. Wenn er dann die Kinder noch als „Püppchen" und „Mäuslein" bezeichnet und sich als der empfiehlt, der „gern mit den Kindelein spielt", entfernt er sich weit vom Vorbild des getreuen Eckart aus der Sagenwelt.

Florian Russi

Der getreue Eckart

"O wären wir weiter, o wär' ich zu Haus!
Sie kommen, da kommt schon der nächtliche Graus;
Sie sind's, die unholdige Schwestern.
Sie streifen heran, und sie finden uns hier,
Sie trinken das mühsam geholte, das Bier,
Und lassen nur leer uns die Krüge."

So sprechen die Kinder und drücken sich schnell;
Da zeigt sich vor ihnen ein alter Gesell:
"Nur stille, Kind! Kinderlein, stille!
Die Hulden, sie kommen von durstiger Jagd,
Und laßt ihr sie trinken, wie's jeder behagt,
Dann sind sie euch hold, die Unholden."

Gesagt so gescheh'n! und da naht sich der Graus
Und siehet so grau und so schattenhaft aus,
Doch schlürft es und schlampft es auf's beste.
Das Bier ist verschwunden, die Krüge sind leer;
Nun saust es und braust es, das wütige Heer,
In's weite Getal und Gebirge.

Die Kinderlein ängstlich gen Hause so schnell,
Gesellt sich zu ihnen der fromme Gesell:
"Ihr Püppchen, nur seid mir nicht traurig."
"Wir kriegen nun Schelten und Streich' bis auf's Blut."
"Nein, keineswegs, alles geht herrlich und gut,
Nur schweiget und horchet wie Mäuslein!

Und der es euch anrät und der es befiehlt,
Er ist es, der gern mit den Kindelein spielt,
Der alte Getreue, der Eckart.
Vom Wundermann hat man euch immer erzählt,
Nur hat die Bestätigung jedem gefehlt;
Die habt ihr nun köstlich in Händen."

Sie kommen nach Hause, sie setzen den Krug
Ein jedes den Eltern bescheiden genug,
Und harren der Schläg und der Schelten.
Doch siehe, man kostet: "Ein herrliches Bier!"
Man trinkt in die Runde schon dreimal und vier-,
Und noch nimmt der Krug nicht ein Ende.

Das Wunder, es dauert zum morgenden Tag;
Doch fraget, wer immer zu fragen vermag:
"Wie ist's mit den Krügen ergangen?"
Die Mäuslein, sie lächeln, im stillen ergötzt;
Sie stammeln und stottern und schwatzen zuletzt,
Und gleich sind vertrocknet die Krüge.

Und wenn euch, ihr Kinder, mit treuem Gesicht
Ein Vater, ein Lehrer, ein Aldermann spricht,
So horchet und folget ihm pünktlich!
Und liegt auch das Zünglein in peinlicher Hut,
Verplaudern ist schädlich, verschweigen ist gut;
Dann füllt sich das Bier in den Krügen.

*****

Bildquelle: Der getreue Eckart,  (Illustration von 1863)

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