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Florian Russi:

Alids Traum

12 Einhorngeschichten

Mit diesen Geschichten entführt Florian Russi in die Welt der Einhörner und der Götter, Menschen und Tiere, denen sie begegnen.

Auch als E-Book erhältlich 

Hitlers Vater

Hitlers Vater

Florian Russi

Ungebetener Besuch am Krankenbett des Sohnes

In dem Drama „Das Ding", das im Herbst als Buch erscheinen wird, hat sich Florian Russi mit der Frage befasst, wie Hitlers Machtergreifung im Deutschen Reich möglich war und daraus auch Lehren für andere Machtambitionen gezogen. Im 4. Aufzug liegt Hitler krank im Bett und bekommt in seinen Fieberträumen Besuch von seinem Vater Alois. Die Szene trifft das Verhältnis von Vater und Sohn pointiert so, wie es vor allem von der Historikerin Brigitte Hamann (Hitlers Wien: Lehrjahre eines Diktators, Piper-Verlag München) geschildert wird. Lassen Sie sich vom Schluss des Auftritts überraschen.
 
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4. Aufzug

4. Auftritt

Energisch und selbstbewusst betritt Adolf Hitlers Vater Alois den Raum. Abrupt bleibt er vor dem Bett stehen.

Alois:

Adolf, bist du das?

Hitler:

(schrickt auf): Ja, Vater.

Alois:

Was liegste lang im Bett? Biste krank oder wieder am fantasieren? Ich hab zu früh gehen müssen. Meine harte Hand hat dir gefehlt. Ein Träumer biste geblieben, wie deine Mutter. Doch die konnt sichs leisten, war nur ne Frau. Du aber werd endlich zum Mannsbild und lass die schwülstigen Fantastereien.

HItler:

Du hast mich nie geliebt!  

Alois:

Mehr als dus verdient hattest. Hast heut deine Prügel noch nit bekommen.  

Hitler:

(hebt abwehrend die Hand): Nein, bitte nicht!  

Alois:

Keine Widerrede. Hosen runter!

(Alois zieht seinen Gürtel aus der Hose und beginnt, auf Adolf einzuschlagen. Es wird ganz dunkel im Zimmer und man hört Adolf schluchzen und stöhnen. Dann wird's wieder etwas heller. Alois zieht den Gürtel wieder in die Hose und Adolf windet sich verkrampft in seinem Bett, während Alois sich an dessen Fußende aufbaut.)

Alois:

Sag mir, was biste geworden?  

Hitler:

Führer ... 

Alois:

Willst mi pflanzen? Das ist doch kein Beruf. Räudiger Rotzbua! Der Sohn eines österreichischen Zollbeamten und Hausbesitzers gibt „Führer" als seinen Beruf an und liegt faul im Bett. Was arbeitests? Hast an Anstellung, an Eigentum, an Besitz, Pensionsansprüche?    

Hitler:

Ich bin Reichskanzler und Reichspräsident in einem!  

Alois:

Was quatschsts da fürn hirnrissigen Humbug. Denk nicht, dass du einem österreichischen Beamten so was auftischen kannst. Österreich hat nen Bundes- und keinen Reichskanzler. Wie arm müsste ein Reich sein, um dich zum Kanzler zu machen. Träumen tust. Bist immer noch der alte Spinner.    

Hitler:

(wirft sich in Pose): Ich bin der Führer des Deutschen Reichs!    

Alois:

Jetzt drehste ganz durch, Großkotz, g'schamiger. Wie soll das denn passiert sein?   

Hitler:

Ich habe eine Bewegung gegründet und Millionen Volksgenossen sind mir gefolgt.    

Alois:

Wenn du'n hohes Amt hättest, könntst jetzt net so faul da liegen. Wovon lebst, hast an Gehalt?    

Hitler:

Ich bekomme, was ich brauche. Für mich wird gesorgt.      

Alois:

Hab ichs mir doch gedacht. Von der Fürsorge lebst. So weit biste gekommen, alter Angeber. Prügel verdienst, sonst nix. - Sag mal, warum liegste allein im Bett? Hast keine Frau und auch kein Betthascherl?

Hitler:

Eine Geliebte hab ich, Eva ist ihr Name.  

Alois:

Warum liegt sie nicht bei dir?   

Hitler:

Sie verbringt Ferien in Italien.    

Alois:

Wieso biste nicht bei ihr? So hatt‘ ichs mir gedacht. Mein Sohn ist Führer und seine famose Freundin badet im Baikalsee oder tanzt auf dem Himalaya. Warum hast se weggeschickt und stellst se mir nicht vor, dein Fräulein Eva? Die haste doch erfunden, die gibt's gar nicht!   

Hitler:

Ich bin mit dem Deutschen Reich verheiratet!

Alois:

Ich fass es nit: Verheiratet mit dem Deutschen Reich! Lässts sich's auch von dir pimpern? Stöhnts dann dabei? - Sag mal, onanierst‘ noch so viel wie früher? - Das ist nicht männlich. A richtigs Mannsbild onaniert nicht, sondern hat ne Frau. So ist die Natur. Wanns drängt, dringt man eini. Wie oft hab ich dir gesagt: Lass die Wichserei. Die schwächts Hirn und bringt dich auf dumme Gedanken. - Führer, Reichskanzler, haha. Lass das Wichsen und komm zur Besinnung. Lern und arbeit was Gescheits. Wann i wiederkomm, verlang i an Rapport. Falls d'dann immer noch nix taugst, kannst was erleben. D'waast eh, was i damit mein.      

Hitler:

Ja, Vater.     

Alois

(verlässt kopfschüttelnd seinen Standort in Richtung Zimmerausgang)   

Stimme von oben:

Alois!      

Alois:

(erschrickt und nimmt sofort Haltung an):
Jawohl!

Stimme 

(nach kurzer Pause):
Hättst auch onanieren sollen!  

(Auf der Bühne wirds dunkel.)

 

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Vorschaubild: Alois Hitler, Adolf Hitlers Vater

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