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Silvia Frank: Kennst du Georg Büchner?

Vor Ihnen liegt der spannungsreiche Lebensweg eines jungen Mannes, der seine Zeit kritisch reflektierte und an Veränderungen mitwirkte. Er wurde steckbrieflich gesucht und musste emigrieren, begegnete seiner großen Liebe, verlobte sich heimlich und überwarf sich mit dem Vater.

Büchners

Büchners "Lenz"

Florian Russi

Auch Deutschlands großer Dichter hat abgeschrieben.

„Lenz" ist die einzige, vom früh verstorbenen Dichter Georg Büchner (1813-1837) hinterlassen Erzählung. Sie ist vor allem deshalb bekannt, weil der Dichter nur wenige Werke geschrieben hat und im „Lenz" ein großes, auch sprachlich zum Ausdruck kommendes Einfühlungsvermögen in die Bewusstseins- und Seelenkrise seines Helden zeigt. Der Held der Erzählung, Jakob Michael Reinhold Lenz, im heutigen Lettland geboren, gehörte zu den Schriftstellern des Sturm und Drang. Als Bediensteter zweier Offiziere kam er nach Straßburg und dort in Verbindung mit Goethe und Herder. Er bewunderte Goethe, verliebte sich unglücklich in dessen Jugendfreundin Friederike Brion und versuchte später, in engeren Kontakt zu dessen Schwester Cornelia zu treten. Er reiste zu Goethe nach Weimar, erwartete, von ihm gefördert zu werden, wurde aber wegen „einer Eseley" abrupt fallen gelassen. Lenz litt unter psychischen Störungen. Als tragische Figur war und ist er Gegenstand mehrerer literarischer und medizinisch-psychologischer Betrachtungen.

Die Lenz-Erzählung Büchners ist etwa 20 Seiten lang und stützt sich auf Briefe von Lenz und auf Berichte des Johann Friedrich Oberlin, Pfarrer im elsässischen Dorf Waldersbach. Oberlin lebte von 1740 bis 1826. Er war ein höchst verdienstvoller Humanist, der sich nicht nur als Seelsorger, sondern auch als Helfer in der Not und als Gründer von sozialen und wirtschaftlichen Initiativen auszeichnete.
Auf die Empfehlung eines Freundes hin nahm der Menschenfreund den seelisch erkrankten Lenz für drei Wochen bei sich auf. Über diese Zeit fertigte Oberlin einen Bericht an, den Büchner nicht nur als Informationsquelle nutzte, sondern in weiten Passagen abschrieb. Etwa die Hälfte der Lenz-Erzählung soll aus Oberlins Originaltext unverändert übernommen worden sein.

Fazit: Auch für einen bedeutenden Autor erleichtert das Abschreiben gelegentlich die Textfindung.

 

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Bildquelle: Georg Büchner als Freimaurer, mit einem Logenbijou (Pastell eines unbekannten Künstlers, um 1830) Wikimedia Commons, gemeinfrei.

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