Nach ihrem Grundgesetz ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20 GG). Dies wird von den meisten Bundesbürgern positiv angenommen, doch Umfragen aus den vergangenen Jahren zeigen, dass die Zahl derjenigen, die für die Demokratie eintreten, gesunken ist.
Demokratie ist eine der möglichen Herrschaftsformen in einem Staat. Sie ist nicht naturgegeben, sondern eine von Menschen geschaffene politische Kultur. Von den Betroffenen erfordert sie Überzeugung und Engagement. Es ist daher notwendig, ihr System und ihre Bedeutung zu kennen, um sie auch mit anderen Herrschaftsformen vergleichen zu können.
In der griechischen Philosophie und Geschichtsschreibung (Herodot, Aristoteles, Polybios) wurden drei Grundformen der politischen Herrschaft beschrieben: Monarchie (Herrschaft eines Einzelnen), Aristokratie (Herrschaft einer ausgewählten Gruppe) und Demokratie (Herrschaft des Volkes). Diese Systeme können, wenn sie negativ besetzt sind, zum Schlechten hin ausarten. Dann wird die Monarchie zur Tyrannis, die Aristokratie zur Oligarchie (Herrschaft von wenigen über die Mehrheit der anderen) und die Demokratie zur Ochlokratie (Herrschaft des Pöbels).
Wenn wir zugrunde legen, dass alle Menschen, wie in der Charta der Vereinten Nationen festgelegt, „Frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind", dann besteht die Aufgabe eines Staates vor allem darin, das Wohl all seiner Bürger zu fördern und zu erhalten. Das aber wird naheliegend am ehesten erreicht, wenn die Allgemeinheit über ihr Wohl mitbestimmen kann. Alleinherrscher haben in der Geschichte selten das Wohl aller Bürger im Blick gehabt und wenn eine Minderheit über die Mehrheit bestimmen kann, liegt es nahe, dass sie ihre Machtstellung zu ihren eigenen Gunsten nutzt oder sogar missbraucht.
Der britische Staatsmann Winston Churchill (1874 - 1965) hat einmal gesagt: „Die Demokratie ist die schlechteste Herrschaftsform, abgesehen von allen anderen." Damit wollte er ausdrücken, dass es keine absolut ideale Regierungsform gibt und bei allen Kritikpunkten die Demokratie als die am wenigsten schlechte übrig bleibt. Positiv hat es der große Philosoph Karl Popper (1902 -1994) ausgedrückt: „Ich bekenne mich also zur abendländischen Zivilisation, zur Wissenschaft und zur Demokratie. Sie geben uns Gelegenheit, vermeidbarem Unglück vorzubeugen und Reformen, wie den Wohlfahrtsstaat, auszuprobieren, kritisch zu beurteilen und wenn nötig, weiter zu verbessern" (1). Was Popper besonders wichtig erschien, war, dass eine funktionierende Demokratie die Möglichkeit gibt, einen ungeeigneten Herrscher zügig und unblutig wieder loszuwerden (2).
Unter friedlichen, freiheitlichen und gerechten Voraussetzungen wird sich die Demokratie immer als die überlegene Staatsform erweisen. Das hat sogar der als Machtverherrlicher geltende große Staatstheoretiker Machiavelli so gesehen. In seinen Discorsi schreibt er: „Ferner sieht man die Staaten, in denen das Volk herrscht,... ausnehmend wachsen, weit mehr als solche, die stets unter einem Fürsten gelebt haben" (3).
Warum aber gibt es dann in der ganzen Welt so viele Gegner der Demokratie? Es handelt sich dabei vor allem um zwei Gruppierungen. Die einen lehnen die Demokratie deshalb ab, weil sie nach der eigenen Macht streben, über andere bestimmen wollen oder sich persönlich Vorteile davon versprechen, wenn es keine Gleichberechtigung im Volk gibt. Die anderen sind solche, die nicht bewusst leben und nicht kritisch und nachhaltig denken.
Ich habe mit einem Bürgermeister diskutiert, der mir sagte: „Die Demokratie ist die dümmste Herrschaftsform und gehört abgeschafft." Ich habe ihm geantwortet, er könne ja schon damit anfangen, die Demokratie abzuschaffen und in Zukunft schweigen und es anderen überlassen, politische Entscheidungen zu treffen. Wer von politischen Maßnahmen betroffen ist, selbständig denken kann und nicht zur Unterwürfigkeit neigt, muss der Demokratie den Vorzug vor anderen Herrschaftsformen geben.
Wie aber kann verhindert werden, dass die Demokratie zur Ochlokratie wird? Nun, das liegt, wie alles in der Demokratie, an den Betroffenen selbst. Wenn alle, die kritisch zu denken gelernt haben, sich für das demokratische System einsetzen, es ausbauen, pflegen, kritisch begleiten, mitgestalten und korrigieren, wird es nicht zur Pöbelherrschaft kommen. Die Herrschaft des Pöbels wäre außerdem wieder eine Form der Oligarchie.
Je blauer, desto „demokratischer“, je roter, desto autoritärer ist der Staat. Der Economist von 2017
_ _ _
(1) Karl Popper, Über den Zusammenprall von Kulturen, in: Auf der Suche nach einer besseren Welt, München 2019, S. 130.1)
(2) Florian Russi, Karl Popper, der kritische Rationalist, Halle 2020, S. 40
(3) Niccolo Machiavelli, Discorsi. Vom Staate, Hamburg 2017,1, 58.
*****
Bildquellen:
Vorschaubild, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=11...
Plenarsaal des Deutschen Bundestages von Times - Own work, CC BY-SA 3.0,Demokratieindex des Economist von 2017 By Goemon - Own work, derived from File:BlankMap-World-Microstates.svg, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67...