Bereits 823 wurde im Kissinger Raum (Unterfranken) aus salzhaltigem Quellwasser Siedesalz gewonnen. Der erste Eintrag über Kissingen als Heilbad stammt aus dem Jahre 1520. Der mineralhaltige Sauerbrunnen lag damals vor den Toren der Stadt. Nachfolgend wurden die Pandur (nach dem ungarischen Leibwächterkorps) und Rakoczy (nach dem ungarischen Nationalhelden) genannten Quellen entdeckt. Nach dem Willen des Landesherrn sollte das sieben Morgen große Gelände mit den Karlsbader Thermalquellen konkurrieren können. Nach der Verlegung der Fränkischen Saale begann 1738 die Errichtung des Kurviertels.
1793 erholte sich der an Gicht und Migräne leidende Weimarer Entrepreneur Friedrich Justin Bertuch (1747–1822) in Kissingen. Er fand damals noch alles „in der schrecklichsten Verwirrung und Unreinlichkeit“, doch die nahen Salzgewinnungsanlagen weckten Begehrlichkeiten. In der Absicht, die Salinen zu pachten, ließ Bertuch dem amtierenden Fürstbischof von Bamberg und Würzburg, seine Denkschrift Ideen eines Kurgastes über Verbesserung und Emporhebung der beiden Bäder Kissingen u. Bocklet (1794) zukommen. Der plötzliche Tod des Fürstbischofs Franz Ludwig von Erthal (1730–1795) setzte den Verhandlungen ein jähes Ende. In jedem Falle hatte Bertuch dem Kissinger Salinenwesen „ersprießliche Dienste“ erweisen können.
1814 erfolgte die Eingliederung Frankens in das Königreich Bayern. Maximilian I. Joseph veranlasste die Neufassung des Sauerbrunnens, ihm zu Ehren wurde er in Maxbrunnen umbenannt. In den folgenden Jahren vervielfachte sich die Zahl der Kurgäste. 1833 kam der italienbegeisterte König Ludwig I. nach Kissingen und beauftragte seinen Stararchitekten Friedrich von Gärtner mit einem Kurgebäude im Stil der florentinischen Frührenaissance. Fünf Jahre später – anlässlich des Geburtstages von Königin Therese und des 100-jährigen Jubiläums der Rakoczy-Quelle – wurde der repräsentative Arkadenbau eingeweiht. Der Aufstieg des einstigen Provinzbades zum Weltbad war nicht mehr aufzuhalten.
Kissingen, aber auch das zehn Kilometer entfernte Bocklet mit seiner eisenhaltigen Balthasar-Neumann- Quelle (Stahlquelle), wurden zur Begegnungsstätte der Aristokratie. Der Gartenkünstler Hermann Fürst von Pückler-Muskau, Zar Alexander II. von Russland, Kaiserin Elisabeth „Sisi“ von Österreich-Ungarn (1837– 1898), Ludwig II. von Bayern, aber auch der italienische Komponist Gioacchino Rossini (1792–1868) oder der deutsche Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck wussten die medizinische wie gesellschaftliche Bedeutung dortiger Kuraufenthalte zu schätzen.
Ab 1883 nannte sich Kissingen offiziell Bad und wurde nun auch beim Bürgertum populär. Am 24. Juli 1890 trug sich der Schriftsteller Theodor Fontane in das „Berühmtheiten“-Buch (das Goldene Buch) der Stadt ein. Neben einer lustvollen Karikatur der Table d´hôte im Sächsischen Hof hinterließ er die folgenden Verse:
Max, Rakoczi und Pandur,
Thun immer die Hälfte nur,
Andre Sprossen auf der Leiter
Führen auf dem Heilsweg weiter:
Lindesmühle, Botenlaube,
Unentwegter Saalwein-Glaube,
Memmel, Zoll und Messerschmitt,
Alles wirkt zum Siege mit,
Und das fränkische freundliche Wesen
Fügt den Schlußstein zum Genesen.
Von 1910 bis 1913 ergänzte der Architekt Max Littmann die Kuranlagen um eine 90 Meter lange, in drei Längsschiffe geteilte Basilika. In der lichtdurchfluteten Brunnenhalle schenken Brunnenfrauen bis heute die gesundheitsfördernden Max-, Rakoczy- und Pandurbrunnen sowie Luitpoldsprudel alt und Kissinger Bitterwasser aus. Öffentlich zugänglich ist der 1911 durch einen Brunnentempel ergänzte Maxbrunnen.
Nach dem Ersten Weltkrieg kamen überwiegend Angehörige der Mittelschicht nach Bad Kissingen. Der Bauhausgründer Walter Gropius, der Dramatiker George Bernard Shaw (1856–1950) oder der Komponist Richard Strauss, alle lobten Bad Kissingen als Ort der Erholung und mentalen Stärkung. Das Ambiente der Belle Epoque überstand auf wunderbare Weise auch den Zweiten Weltkrieg. In den 1990er Jahren wurden die Kureinrichtungen saniert, Bad Kissingen lockt noch immer mit dem Charme längst vergangener Zeiten.
Ob Trinkkur, Solebad oder Gradierwerk – die Gäste wissen die gepflegten Kureinrichtungen, von Gärten umgebenen Villen und weitläufigen Parkanlagen zu schätzen. Bad Kissingen verkörpert in hervorragender Weise den Typus einer europäischen Badestadt und darf sich seit 2021 UNESCO-Weltkulturerbe nennen!
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Textquellen:
Berbig, Roland: Theodor Fontane Chronik digital. Auf der Grundlage der »Theodor Fontane Chronik« (5 Bde., Berlin: De Gruyter 2010) hg. v. Theodor-Fontane Archiv, Potsdam 2021ff abgerufen von >https://www.fontanearchiv.de/chronik/1890-06-24/< am 24.10.2023; letzte Bearbeitung: 01.03.2023.
Hohenstein, Siglinde: Friedrich Justin Bertuch – bewundert, beneidet, umstritten. Katalog Gutenberg- Museum Mainz 1985, S. 85 f.
Bayerisches Staatsbad Bad Kissingen GmbH (Hg.): Themenführer Heilwasser, MüllerValentini – Agentur für Markendesign Berlin, 2023.
>https://www.badkissingen.de/de/stadt/bildung/neuer-ordner/stadtarchiv/m_77655< abgerufen am 24.10.2023.
Bildquellen:
Vorschaubild: KG BurgBotenlauben N-KG 2014, Urheber: Bbb-Commons via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Brunnentempel mit Maxbrunnen, Foto: Haupt, 2023.
Kaiserkur-Kissingen-1868, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commos gemeinfrei.
Bad Kissinger Brunnenhalle, Foto: Haupt, 2023.