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Florian Russi

St. Valentin und die Liebenden

Viele vermuten hinter dem Valentinstag eine Erfindung der Neuzeit, um das Geschäft der Floristen anzukurbeln. Nur die wenigsten wissen, wer sich hinter dem Namensgeber St. Valentin verbirgt.
Florian Russi geht in dieser Broschüre der Sage um den Tag der Liebenden auf den Grund. Er stößt auf die tragische Liebesgeschichte und einen Mönch mit grünem Daumen.

Mathilde von Rohr

Mathilde von Rohr

Klaus-Werner Haupt

Der Gute Geist Th. Fontanes

Innerhalb der Korrespondenzen Theodor Fontanes nimmt die neun Jahre ältere Konventualin Mathilde von Rohr eine herausragende Stellung ein. Ihrer drei Jahrzehnte währenden Freundschaft verdankt er Anregungen ebenso wie Verständnis und Unterstützung.

Mathilde Sophie von Rohr wird am 9. Juli 1810 auf dem märkischen Gut Trieplatz, etwa zwanzig Kilometer nordöstlich von Wusterhausen (Dosse), geboren. Ihr Vater ist der Hauptmann Georg Moritz Ernst Christian von Rohr (1766–1832), die Mutter Antoinette (1777–1853) ist eine geborene Baronesse von Hünecke. Acht Jahre nach Mathildes Geburt erfolgt ungewöhnlich spät ihre Einschreibung in das Kloster Dobbertin. Anliegen des evangelischen Damenstiftes ist „die christlich ehrbare Auferziehung“ wie die finanzielle Absicherung von Töchtern aus adligem Hause.

1832 stirbt der Vater, die Mutter zieht mit den unverheirateten Töchtern in die Hauptstadt. „Das Haus des Generals von Rohr, damals ein Sammelpunkt der Berliner Gesellschaft, vermittelte Beziehungen und sehr angenehme Tage brachen an“, schreibt Fontane. Als 1853 auch die Mutter stirbt, ziehen Mathilde und ihre Schwester Antoinette (Annette, gest. 1877) in die Behrenstraße 70. Mathilde von Rohr nennt sich bereits Konventualin, mit den aus Dobbertin erhaltenen Mitteln unterstützt sie mehrere Kindereinrichtungen. Darüber hinaus steht sie einem Zirkel vor, „in dem, unter Zutritt der Maler und Gelehrten, das Dichterelement in den Vordergrund trat“.

Um den Jahreswechsel 1859/60 lädt das Fräulein von Rohr den Englandkenner Fontane zum Tee. Es ist der Beginn einer engen Freundschaft, dokumentiert in nicht weniger als 230 seiner Briefe. Zunächst dreht sich vieles um Neuigkeiten und Verabredungen. Die Briefe seiner Gönnerin sind nicht erhalten. Die sonnabendlichen Tee- und Plauderstunden werden begleitet von Häppchen und „Götterspeise“. Für Emilie Fontane sind sie eine willkommene Abwechslung zu „Plätten und Kindergeschrei“. Ihr Ehemann verdankt ihnen zahlreiche Details und Anekdoten für seine Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Ein Fundus für jeden, der Interesse an der preußischen Geschichte und Freude an der deutschen Sprache hat!

Mathilde von Rohr besucht Fontanes englische Vorlesungen im Arnim´schen Lokal und bittet für ihn im Kultusministerium um finanzielle Unterstützung. Im September 1866 begleitet sie ihren Freund, um Geschenke für Emilies Geburtstag und das Weihnachtsfest zu besorgen.

Im Frühsommer 1869 wird in Dobbertin die Stelle einer Konventualin frei. Schweren Herzens vertauscht das Fräulein von Rohr die preußische Hauptstadt gegen die mecklenburgische Provinz. In der früheren Klausur des Klosters Dobbertin bezieht sie sieben Zimmer nebst Küche und Kammer, Keller und Garten. Zwei Bedienstete stehen für Botengänge und Hausarbeit zur Verfügung. Die Pflicht der insgesamt 32 Konventualinnen besteht im Einhalten der vorgeschriebenen Kleiderordnung und in der Teilnahme am gemeinsamen Gebet. Darüber hinaus wird karitatives Engagement erwartet.

Die Kontakte nach Berlin werden durch gegenseitige Besuche aufrechterhalten. Im Sommer 1870 reist die Familie Fontane zur Sommerfrische nach Warnemünde. Während Emilie mit den Kindern nach Berlin zurückkehrt, unternimmt Theodor einen Abstecher nach Dobbertin. Seine Begeisterung kennt keine Grenzen: „Kein poetischerer Aufenthalt denkbar! Das Zimmer, darin wir das Frühstück und abends den Tee zu nehmen pflegten, hatte noch ganz den Klostercharakter, denn aus seiner Mitte stieg ein schlanker, oben palmenfächriger Pfeiler auf; halb verdeckt davon aber stand ein Schaukelstuhl, von dem aus ich, wenn ich mich im Pfeilerschatten hin und her wiegte, mal links mal rechts das Kohlenfeuer sah, das in dem altmodischen Kamin still verglühte. Denn ein Feuer war immer da und auch nötig, trotzdem wir mitten im Sommer waren. Um die Fenster rankte sich Blattwerk mit großen gelben Tulpenblumen dazwischen, die bis aufs Dach hinaufwuchsen und dies auf seiner Unterhälfte fast überdeckten.“ Dem Kloster Dobbertin, dem „klein´ren Oxford“, verdankt Fontane Anregungen für die Novelle Grete Minde (1879) sowie das Kapitel Kloster Wutz im Roman Der Stechlin (1898). Aus der Affäre eines adligen Offiziers mit Victoire, der Tochter der begehrten Berliner Salonniére Henriette von Crayen, wird die Erzählung Schach von Wuthenow (1882).

Im August 1871 kommt das Ehepaar Fontane gemeinsam nach Dobbertin. Während Emilie mit dem Fräulein von Rohr am Ufer des Sees spaziert, verordnet sich Theodor „Stubenarrest“ zum Schreiben. Bei dieser Gelegenheit entstehen die folgenden Verse:

Die Sonne ist im Scheiden,
Das Boot fährt über den See,
Die Erlen und die Weiden
Spiegeln sich im See;
Die Schwäne stillere Kreise
Im weiten Wasser ziehn,
Ich denk an die goldenen Tage,
An die Tage von Dobbertin.

Vier Jahre später verstirbt im Alter von 96 Jahren die Domina Elisabeth von Quitzow (1779–1875). Mathilde von Rohr hätte ihre Nachfolgerin werden können, doch sie unterliegt einer jüngeren Mitbewerberin. Es bleiben noch vierzehn Jahre, in denen die Konventualin ihre privilegierte Stellung zu nutzen weiß. „Sie wird der gute Geist der Fontanes, die verlässliche Freundin in Rat und Tat“, so der Fontanekenner Gotthard Erler. Das „gnädige Fräulein“ sendet Spargel und Wild aus Dobbertin und nimmt Anteil an Eheproblemen und sonstigen „Bekümmernissen“. Für Emilie und Theodor ist sie eine Schutzpatronin, ihre Kinder nennen sie „Pate Rohr“.

70-jährig verlässt die Konventualin Dobbertin nur noch selten, denn sie leidet an Asthma. Hinzu kommen Herzprobleme, die durch die im Kloster auftretenden Rivalitäten und antipreußische Gesinnung nicht besser werden. Der Betreuung des Klosteramtsarztes Dr. August Havemann und der Fürsorge ihrer Vertrauten Jeanette von Bülow (1825–1900) ist zu verdanken, dass Mathilde von Rohr wieder auf die Beine kommt. Doch der lange Winter 1888/89 verlangt seinen Tribut ...

Zum 79. Geburtstag des Fräulein von Rohr sendet Fontane die herzlichsten Glückwünsche aus dem Weltbad Kissingen und verspricht: Die sommerlichen Temperaturen werden ihr gesundheitlich wohltun, Freundschaft und Liebe ihr zur Seite stehn. Er selbst vollendet demnächst sein 70. Lebensjahr und resümiert: „Und wiewohl ich gern gelebt habe, jetzt, am Ende meiner Tage, bin ich doch tief davon durchdrungen, daß dies alles eine Welt der Mängel ist, viel, viel mehr noch, als man in jungen und mittleren Jahren annahm, und daß es nicht schlimm ist, die Unruhe mit der Ruhe zu vertauschen.“ Am 16. August 1889 kommt der Freund zu Gesprächen nach Dobbertin. Die nächste Auflage der Grafschaft Ruppin steht bevor.

Nur vier Wochen darauf ist aus der Kreuz-Zeitung zu erfahren: „Am 16. September, 11 Uhr vormittags, verschied nach langem, schwerem Leiden im 80. Lebensjahr unsere geliebte Tante, Großtante und Schwägerin

Fräulein Mathilde von Rohr aus dem Hause Trieplatz,
Conventualin zu Kloster Dobbertin.
Im Namen der Hinterbliebenen Christian von Rohr,
Hauptmann und Kompaniechef im 3. G.-Gr.-Reg. Königin Elisabeth.“

Ihre letzte Ruhestätte erhält Mathilde von Rohr auf dem Klosterfriedhof von Dobbertin. Vielleicht wäre sie längst vergessen, setzte ihr Fontane nicht mit einem sehr persönlichen Essay ein literarisches Denkmal. Sein Aufsatz wird 1892 erstmals als Zeitungsbeitrag veröffentlicht und später in die Die Grafschaft Ruppin. Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Erster Band eingefügt.

 

*****

Textquellen:

Stammbaum der Familie von Rohr abgerufen von  >www.einegrossefamilie.de< am 19.10.2023.

Fontane, Theodor: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 9, München 1959–1975, S. 419-434 abgerufen von >www.zeno.org/nid/20004777514< am 19.10.2023. 

Erler, Gottfried: Das stille Leben eines adligen Fräuleins abgerufen von >https://berlingeschichte.de/lesezei/blz00_06/text45.htm< am 19.10.2023.

Erler, Gottfried: Fontanes Briefe in zwei Bänden. Aufbau Verlag Berlin und Weimar 1980. Bd 2, S. 190

Liebenow, Gabriele: Theodor Fontane und Mathilde von Rohr. Biografische Notizen in: Dobbertiner Manuskripte hg. vom Theodor-Fontane-Freundeskreis MV Kloster Dobbertin, 2008.

Alsleben, Horst/Liebenow, Gabriele (Hg.): Kurze Dobbertiner Klostergeschichte, hg. 2010 zum 200. Geburtstag einer Freundin Theodor Fontanes in: Dobbertiner Manuskripte hg. vom Theodor-Fontane- Freundeskreis MV Kloster Dobbertin, Vierte Auflage, 2015.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Mathilde von Rohr, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons  Gemeinfrei; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

Südfassade der Klosterkirche und Förderschule Theodor Fontane Dobbertin. Foto: Haupt 2019.

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