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Goethe mal eher privat.
Hermann Multhaupt erzählt, wie der Dichterfürst mit seinem Sohn August nach Pyrmont reist, wo er sich von einer schlimmen Krankheit zu erholen sucht.

Eckermann - Gefährte, Freund und Hausgenosse des Geheimen Rates in Weimar

Eckermann - Gefährte, Freund und Hausgenosse des Geheimen Rates in Weimar

Hermann Multhaupt

Einer der sich selbst und sein Dichtertalent zurücknahm, um dem Genius Goethe zu dienen und mit wachem Auge und flinker Feder viele dessen ihm wichtig erscheinende Bemerkungen zu Papier brachte, war Johann Peter Eckermann. Sein zweifelsfreier Verdienst bestand darin, seine „Gespräche mit Goethe“ in drei Bänden herausgegeben und so der Nachwelt einen sonst wohl verloren gegangenen Einblick in die Gedankenwelt des Dichterfürsten gewährt zu haben.

Wer war dieser Johann Peter Eckermann?

Wer war dieser Johann Peter Eckermann, der davon geräumt hatte, ein bekannter Dichter zu werden und sich am Ende doch im Dienst Goethes aufrieb? Am 21. November 1792 in Winsen an der Luhe als Sohn eines armen Hausierers geboren, mit dem er durch die Elbniederungen und die nördliche Lüneburger Heide zog, konnte er nur unregelmäßig die Schule besuchen. Es gelang ihm Dank der Förderung durch die örtlichen Honoratioren, die seine geistigen Fähigkeiten und sein künstlerisches Talent erkannten, Amtschreiber in Winsen, später in Lüneburg, Uelzen und Bevensen zu werden. Eckermanns Vater Johann Adolf starb mit 68 Jahren im Jahre 1811. Über seine Kindheit und Jugend schrieb der Sohn in der Vorrede zu seinem ersten Band „Gespräche mit Goethe“ liebevoll und so anschaulich, wie man es sich heute von manchen Zeitzeugen vergangener Tage gern wünschen würde. In den Jahren 1813/14 diente Eckermann als Kriegsfreiwilliger in den Niederlanden. Hier knüpfte er den ersten Kontakt zur niederländischen Malerei. Doch krank kehrte er in seine Heimat zurück. Die Folgejahre sind gekennzeichnet von der Suche nach einer adäquaten Ausbildung. Mit über 20 sitzt er noch zwischen Sekundanern. Zugleich absolviert er eine Ausbildung zum Kunstmaler in Hannover, doch erkennt er bald, dass seine Begabung nicht zum Brotberuf reicht. Sohn Karl trat später in Vaters Fußstapfen und brachte es zu Anerkennung und Erfolg.

Stattdessen wandte sich Johann Peter Eckermann der Literatur zu. Sein Drama „Graf Eduard“ blieb unveröffentlicht, doch sein erster Gedichtband erschien 1821 im Selbstverlag. In diese Zeit fällt der Tod seiner 66-jährigen Mutter Maria Dorothea sowie seine Verlobung mit der siebzehnjährigen Johanna Bertram. Um etwas „Vernünftiges“ zu lernen, studiert Eckermann nun Jurisprudenz und Philosophie in Göttingen, aber wegen Geldmangels gibt er das Studium bald wieder auf. Doch einmal in seinem Leben will er die Kunstsammlungen in Dresden sehen! Auf der Rückreise macht er seinen ersten Besuch in Weimar. In den Jahren 1822 und 1823 lebt er als freier Schriftsteller in Hannoversch-Münden und Empelde bei Hannover. Hier entsteht seine Arbeit „Beiträge zur Poesie mit besonderer Hinweisung auf Goethe“, die er dem Genius zusendet. Zugleich macht er sich zu Fuß über Göttingen, Mühlhausen und Gotha auf den Weg nach Weimar, um Goethe persönlich zu treffen. Goethe ist von dem ihm schmeichelnden Manuskript sehr angetan und empfängt den Gast mit großem Wohlwollen. Eckermanns Wunsch, es mit einem Empfehlungsschreiben für den Drucker zu versehen, wiegelt Goethe ab; das Werk empfehle sich selbst. Aber er schickt es umgehend zum Verleger Cotta in Stuttgard (damals noch ohne „t“). Goethe sorgt auch dafür, dass dem jungen Autor ein ansehnliches Honorar zukommt. Und mehr: Er, inzwischen vierundsiebzig, braucht einen Chronisten seines umfangreichen Gesamtwerkes, jemanden, der Listen anlegt, Daten erkundet, Manuskripte registriert, in Ordnern sammelt, was der Dichterfürst im Laufe seines Lebens notiert, aber noch nicht veröffentlicht hat. Goethe ist andererseits für Eckermann ein „untrüglicher Leitstern“, in rechten Augenblick hat es ihn nach Weimar gezogen. Er bleibt.

An der Seite des "Meisters"

Eine Weile wohnt Eckermann in Jena, während Goethe in Marienbad zur Kur weilt und sich unglücklich verliebt. Dann treffen sie regelmäßig in Weimar zusammen, oft mehrmals unter der Woche in entspannter und einander zugetaner Atmosphäre. Goethe versieht Eckermann neben den organisatorischen Aufgaben mit einer Reihe von bezahlten Nebentätigkeiten. So kann er als Erzieher des Erbprinzen Carl Alexander oder als Deutschlehrer für die in Weimar weilenden Engländer – Lord Byron ist in jenen Tagen ein Begriff – etwas dazuverdienen. Der Geheimrat selbst denkt nicht daran, seinen treuen Helfer zu honorieren. Zwar verschafft er ihm einen Freitisch in einer Pension und einen ständigen Theaterplatz, lädt ihn auch manchmal zur Tee- und Weinrunde ein, er gibt ihm auch Gelegenheit, honorige Gäste im Goethehaus kennenzulernen, doch spielt hier der Hintergedanke, dass Eckermann die Gespräche fein säuberlich notiert und später zu einem Band zusammenstellt, vorausschauend gewiss schon eine maßgebliche Rolle. Zum 50. Regierungsjubiläum des Großherzogs Carl August am 3. September 1825 fällt Eckermann die Ehre zu, die Unterlagen für die Festschrift zusammenzutragen – die Meriten erntet der Dichterfürst.

Derweil drängt Johanna Bertram zur Hochzeit. Doch die Einnahmen reichen nicht, um eine Familie zu gründen. Ebenfalls 1825 hat der Genius den ersten Teil der „Gespräche mit Goethe“ gelesen und geprüft. Seine Begeisterung findet Ausdruck in der Ehrendoktorwürde der Universität Jena, die Goethe seinem treuen Adlatus verschafft. Sein Vertrauen in Eckermann ist so groß, dass er ihn sogar animiert, mit seinem Sohn August zur Italienreise aufzubrechen. Doch Eckermann will nicht in das Land, wo die Zitronen blühen. Er trennt sich unterwegs von ihm, fährt nach Genf zu seinem Freund, dem Prinzenerzieher Frédéric Soret, um von dort an Goethe zu schreiben, dass er vorläufig nicht nach Weimar zurückkehren werde. Da ereilt ihn die Nachricht vom Tod August Goethes in Rom. Augenblicklich reist Eckermann über Bern, Kassel, Frankfurt (Main) und Northeim nach Weimar zurück. Er kann den „Meister“ in diesen schweren Stunden nicht allein lassen.

Am 22. Januar 1831 setzt Goethe seinen „treuen Eckart“ neben Professor Riemer in einem Nachtrag zum Testament mit einer Gewinnbeteiligung zum Hauptherausgeber seines literarischen Nachlasses ein. Nun endlich kann Eckermann die ungeduldige Johanna Bertram ehelichen; doch die Verbindung ist nur von kurzer Dauer. Kurz nachdem Johann Peter Eckermann das Bürgerrecht der Stadt Weimar erhalten hat, stirbt Goethe am 22. März 1832. Eckermann verausgabt sich, den letzten großen Wunsch seines „Leitstern“ zu erfüllen. Er reibt sich auf, muss eine Erholungsreise antreten, die ihn auch nach Paderborn führt. Die Geburt seines Sohnes Karl am 30. April 1834 wird überschattet vom Tod seiner Frau Johanna einen Monat später.

Nach Goethes Tod

Nach Goethes Tod wird es still um den kränkelnden und vereinsamten Eckermann. Die Großherzogin Maria Pawlowna ermöglicht ihm eine Erholungsreise nach Norddeutschland, beschäftigt ihn auch als Aushilfsbibliothekar. Großherzog Carl Friedrich verleiht ihm den Titel „Großherzoglicher Hofrat“; eine finanzielle Zuwendung ist nicht damit verbunden. Zum Vergleich: Goethe verdiente etwa 3 100 Taler jährlich – Eckermann 300. 1836 erscheinen Band 1 und 2 der „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens“ bei Brockhaus in Leipzig. 55 Taler hat die Großherzogin Maria Pawlowna ihm für die Reise nach Northeim und Höxter gestiftet, damit er an der Weser sein Manuskript vollenden kann. Doch der Absatz ist enttäuschend. Von der Startauflage von 3000 Exemplaren lassen sich bis Ende des Jahres nur 946 absetzen. Später wird Eckermann gegen den Verleger erfolglos wegen einer Honorarforderung prozessieren. Seelisch gekränkt, von einem Magenleiden gezeichnet, verbringt er einen Kuraufenthalt auf Norderney, dann verlässt er Weimar wegen zu hoher Schulden und setzt sich nach Hannover-Linden ab. Hier in der ländlichen Idylle will er endlich zu dem kommen, was er zeitlebens erstrebt hat: Schreiben! Doch der Großherzogliche Hof, der inzwischen die Tilgung seiner Verbindlichkeiten übernommen hat, zwingt ihn zur Rückkehr. Die 300 Taler werden nur an Ort und Stelle ausgezahlt. Er bekommt jetzt sogar einen Mietzuschuss von 60 Talern, dazu Brennholz, Sohn Karl darf kostenfrei das Gymnasium besuchen. Der Großherzog hatte in einem Brief an Franz Liszt geschrieben: „Eckermann gehört mir. Er muss nach Weimar.“

Im Frühling 1848 erscheint der dritte Band der „Gespräche mit Goethe“, wegen der Querelen mit Brockhaus diesmal im Verlag Heinrichshofen in Magdeburg. Doch die Öffentlichkeit nimmt kaum Notiz davon. Schließlich lebt man im Revolutionsjahr! Und dennoch: Friedrich Nietzsche wird 1878 Goethes Unterhaltungen mit Eckermann als „das beste deutsche Buch, das es gibt“, bezeichnen, während Heinrich Heine und Friedrich Hebbel es kritisch betrachten. Dass die „Gespräche“ heute in vielen Sprachen vorliegen, hat Johann Peter Eckermann nicht mehr erlebt. Er stirbt trotz verschiedener Erholungsreisen und Kuraufenthalte verarmt und vergessen an den Folgen eines Schlaganfalls am 3. Dezember 1854. Ein getreuer Goetheverehrer ist er gewesen, dem Dichterfürsten bis zur Selbstaufgabe verbunden. Seine Verdienste um die Goetheforschung traten erst mit den Jahren ins volle Licht. Ein Vogelnarr und Tierfreund war er außerdem. Seine Wohnung voller Käfige für seine gefiederten Freunde, ein zahmer Wiedehopf, der frei herumflog, ein Marder namens Ratz – sehr zum Leidwesen seiner verschiedenen Mietsleute. Immerhin: Der Großherzog sorgte für ein Ehrengrab in der Nähe der Fürsten- und Goethegruft auf dem Historischen Friedhof in Weimar, einer Stadt, der Eckermann so gern entflohen wäre …

 

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Teaserbild:
Portrait Eckermanns um 1825 von Johann Joseph Schmeller (1773–1850)

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