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Christoph Werner

Schloss am Strom
Roman


Schinkel kämpft in seinen Fieberträumen um die Vollendung seines Bildes "Schloss am Strom". Er durchlebt auf seinem Krankenbett noch einmal sein erfülltes und von krankmachendem Pflichtgefühl gezeichnetes Leben und die Tragik des Architekten und Künstlers, der sich zum Diener des Königs machen ließ

Frühsommerfest

Frühsommerfest

Andreas Schneider

Volkskulturelle Praktiken und Bräuche zu Pfingsten

Populärkulturell gesehen wurde Pfingsten am Beginn der neuen Vegetationsperiode einer der großen Brauchkomplexe im Jahreslauf - wie Weihnachten, Ostern und sowie die Ernte- und Herbstfeste, die heute in Deutschland aber nicht mehr ihre frühere Bedeutung wie in der agrarisch geprägten Gesellschaft der Vormoderne haben. Die populärkulturelle Brauchpraxis hat im Verlaufe der Entwicklung aber keine Geschenkkultur und auch kein kommerziell verwertbares Symbol des Pfingstfestes wie in vergleichbarer Weise Weihnachtsbaum oder Weihnachtsmann bzw. Osterhase oder Osterei ausgebildet - am ehesten können noch die „Pfingstmaien" als Symbole des Festes gelten - Zweige oder junge Bäume mit frischem Grün, zumeist Birken. Mit Hinweis auf Psalm 118,27 wurden so Kirchen schon frühzeitig in der Geschichte des Festes mit jungem Birkengrün geschmückt - denn es hieß in der Übersetzung Martin Luthers an der betreffenden Stelle der Bibel: „Schmückt das Fest mit Maien bis an die Hörner des Altars." Ganz wesentlich dürfte sich dieser Brauch aber auch aus der Tatsache ableiten, dass im Frühling Birken als eine der ersten Bäume grüne Blätter hervorbringen und so auch den Eintritt des Frühlings und Frühsommers anzeigen. Zu traditionellen Praktiken gehörte es früher, dass die jungen Männer an das Haus geliebter Mädchen als Zeichen der Zuneigung frische Birkenäste als „Maien" anbrachten - denn der Mai als Pfingstmonat galt früher im Umfeld der mittelalterlichen Minne auch als Wonnemonat. Bei verschmähter Zuneigung konnte es aber auch schnell einmal eine „Schandmaien" ans Haus geben, wozu sich ein entnadelter alter Christbaum hervorragend eignete. 

Kötztinger Pfingstritt
Kötztinger Pfingstritt

Im religiösen Sinn des Festes sollten Flurumritte als Bittprozessionen den Flursegen bringen. Der „Kötztinger Pfingstritt" am Pfingstmontag von Kötzting im Bayerischen Wald zum sieben Kilometer entfernten Steinbühl und zurück zählt - wie das Osterreiten der Sorben - mit über 900 Reitern zu den großen berittenen Bittprozessionen Europas. Auch Brunnenfeste waren beliebt, da dem Pfingstwasser wie vergleichbar dem Osterwasser segensreiche und heilende Wirkung zugesprochen wurde. Bekannt und beliebt ist noch immer das Brunnen- und Kuchenfest in Schwäbisch-Hall in Baden-Württemberg, das seit dem 14. Jahrhundert belegt ist und heute an Pfingsten als ein historisches Fest der Salzsieder mit Musik und Rummel begangen wird.

Wie Ostern und Weihnachten bildete auch Pfingsten in vielen Regionen Deutschlands vielfältige eigene, auch jahreszeittypische Brauchformen aus. In vielen traditionellen Handlungen sind deshalb die Brauchformen zu Pfingsten&nbnbsp;nicht mehr streng von Maibräuchen zu unterscheiden, auf die auch ihrerseits wieder manche frühere Pfingstbräuche übergegangen sind. In ihrem Charakter eint sie die Feier der beginnenden Sommerzeit, des Beginns der Vegetationsperiode in der Landwirtschaft und der Weidewirtschaft. So wurde zu Pfingsten früher häufig das Vieh zum ersten Mal auf die Weide getrieben und das erste oder letzte Tier beziehungsweise, so vor allem in Mecklenburg, der für das Fest zum Braten bestimmte „Pfingstochse" mit bunten Bändern festlich geschmückt.  Diese im 19. Jahrhundert noch vielfach belegten Bräuche sind aber im Verlauf des 20. Jahrhunderts verloren gegangen und heute sehr selten geworden.

Pfingstschmuck über einer Ortseinfahrt
Pfingstschmuck über einer Ortseinfahrt

Erhalten aber hat sich vielfach das Institut der „Pfingstburschen". In vielen Regionen Deutschlands sind sie noch heute, gebildet von einer mehr oder weniger organisierten Gemeinschaft der ledigen jungen Männer des Ortes, die sich um die Ausgestaltung des Festes kümmern. Sie verteilen noch immer die „Pfingstmaien", zumeist Pfingstbirken, im Ort oder organisieren Pfingstbier und Pfingsttänze, die vielfach auch heute noch feste Bestandteile der örtlichen Pfingstfeiern bilden. Mitunter entstehen dabei auch skurril anmutende Brauchformen: So wird in vielen Orten im Mansfelder Land seit dem 19. Jahrhundert zu Pfingsten mit Höhepunkt am Pfingstmontag das „Dreckschweinfest" als eine Form der Wintervertreibung begangen. Die früher vielerorts beliebte Pfingstkirmes hat sich mit heute überregionaler Ausstrahlung u. a. erhalten in Bergisch-Gladbach sowie in Herzogenrath (Stadtteil Kohlscheid) in Nordrhein-Westfalen, in Waldbrunn-Ellar in Hessen, in Mosberg-Richweiler im Saarland,

Große Vielfalt zeigen auch regionale Brauchformen im zeitlichen Umkreis von Pfingsten. So gilt z. B. der „Wäldchestag" in Frankfurt am Main und Umgebung als „höchster Pfingstfeiertag" und halboffizieller Feiertag: Am Dienstag nach dem Pfingstfest zieht es belegt seit 1792 die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, jung und alt, in den Frankfurter Stadtwald, um auf dem Festplatz am Oberforsthaus zu feiern. Am Mittwoch nach Pfingsten begeht man in der Burgstadt Querfurt in Sachsen-Anhalt den „Knoblauchmittwoch" - ein Brunnenfest, bei dem die „Thaldorfer Pfingstburschen" einen neuen Brunnenherrn küren. Als größte Reiterprozession Europas weithin bekannt ist v. a. der „Blutritt" in Weingarten, der traditionell am Freitag nach Himmelfahrt Christi stattfindet.

Im Mittelalter war Pfingsten mit Rückgriff auf noch ältere Bräuche der Heerschauen am 1. Mai der beliebteste Termin der Turniere - sowohl im höfischen Bereich der Ritter wie im städtischen Bereich der reichen Patrizier. Deshalb finden auch heute noch am Pfingstwochenende beliebte Mittelaltermärkte und inszenierte Schauturniere statt, so z. B. auf der Schwesterburg der Wartburg, der Neuenburg in Freyburg an der Unstrut. Es ist auch in vielen Regionen Deutschlands ein beliebter Termin für die großen Schützenfeste. In Leipzig etablierte sich in den 1990er-Jahren das „Wave-Gotic-Treffen" (abgekürzt WGT) zu Pfingsten, ein Musik- und Kulturfestival der „Schwarzen Szene"mit bis zu 600 Acts an drei Tagen, das von 1992 bis 1996 als „Wave-Gothic-Treffen" firmierte und seit 2001 auch offiziell von der Stadt Leipzig unterstützt wird.

Dem Freizeitbedürfnis entsprechend organisiert die Deutsche Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung seit 1994 bundesweit am Pfingstmontag den Deutschen Mühlentag, an dem alljährlich noch bestehende Mühlen als technische und kulturelle Denkmale zum Schaumahlen, Schroten oder Korndreschen einladen. 

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 Bildquellen:

Kinderumzug mit Maibaum in Ochsenfurt in den 1930er-Jahren, Paul Walde (1899-1970), Wikipedia, gemeinfrei

Pfingstritt in Kötzting, Spurzem, Wikipedia, CC BY-SA 2.0 de

Pfingstschmuck über einer Ortseinfahrt, Magnus Manske, gemeinfrei

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