Vor allem als Mitherausgeber von „Des Knaben Wunderhorn“ ist Achim von Arnim bekannt geworden. Das „Wunderhorn“ ist eine Sammlung von Liebes-, Soldaten-, Wander-, Kirchen- und Kinderliedern aus der Zeit des Mittelalters bis zum 18. Jahrhundert.
Arnim und sein Studienfreund und späterer Schwager Clemens Brentano gaben die Sammlung in den Jahren 1805 bis 1808 in 3 Bänden heraus. Darin enthalten waren insgesamt 723 Lieder.
Es handelt sich um volkstümliche Texte aus unterschiedlichen Quellen, teils um mündliche Überlieferungen, teils um „fliegende Blätter“, um private Aufzeichnungen, um Texte bedeutender Liederdichter wie Martin Luther oder Abraham a Santa Clara oder in einem Fall auch um die Inschrift auf einem Hausgiebel in der Schweiz.
Arnim und Brentano sammelten, was in der Vergangenheit irgendwo gesungen oder rezitiert worden war. Dadurch wurde eine Reihe von Liedern erhalten, die andernfalls der Vergessenheit anheim gefallen wären. Darunter sind Texte wie die vom Rattenfänger von Hameln, „Maikäfer flieg“ bzw. „Schlaf, Kindlein, schlaf“, Kirchenlieder wie „Wacht auf, ruft uns die Stimme“ und „Es gibt einen Schnitter der heißt Tod“ oder Luthers „Eine feste Burg ist unser Gott“. Im 1. Band findet sich auch das Lied „Nachtigall ich hör Dich singen“, aus dem sich das Sprichwort „Nachtigall ich hör dir trapsen“ entwickelt haben soll.
Den ersten der 3 Bände haben die Herausgeber Johann Wolfgang von Goethe gewidmet. Der lobte das Werk als für jede „Küche des einfachen Volkes als auch für jedes Klavier der Gelehrten“ geeignet.
Das Sammeln von literarischen Überlieferungen entsprach einem Bedürfnis vieler Menschen während der Zeitepoche der Romantik. Für die deutschen Romantiker galt es, einen Gegenpol zu setzen gegen die „welsche“ Dominanz in der deutschen Kultur, gegen die politisch-militärische Herrschaft Napoleons, aber auch gegen die stilistische Strenge der Klassik und den nüchternen Realismus der Aufklärung. Gegen den Partikularismus der deutschen Fürstentümer wurde das große gemeinsame Erbe des Germanentums und der deutschen Reichsidee gestellt. Das war in hohem Maß politisch und revolutionär, kam aber im harmlosem literarischem Gewand daher.
Der große, klassisch orientierte Dichter und Übersetzer Johann Heinrich Voss (1751–1826), der während der Herausgabe des „Wunderhorns“ (seit 1805) in Heidelberg lebte, sowie auch andere Philologen bis heute, haben an dem Werk kritisiert, dass vor allem Achim von Arnim die Lieder nicht nur gesammelt, sondern auch bearbeitet und damit ihren ursprünglichen Charakter verfälscht habe. Sogar Clemens von Brentano kritisierte von Arnims Beiträge als zu dichterisch. Ebenso schloss sich Jakob Grimm dieser Kritik an und sprach einer wahrheitsgetreuen und „naiven“ Poesie das Wort. Er übersah dabei, dass auch er und sein Bruder bei der Nacherzählung von Märchen immer mal wieder kreativ vorgegangen waren.
Unter den Liedern ist auch eines, das den Titel „Die Juden von Passau“ trägt. (Nr. 47, 1. Bd.) und von angeblichen Hostienschändungen durch Juden berichtet. Dies ist ein Motiv, das von christlichen Antisemiten immer wieder neu erfunden wurde. Sowohl von Arnim als auch Clemens Brentano ließen häufiger antisemitische Einstellungen erkennen.
Insgesamt aber ist „Des Knaben Wunderhorn“ für uns Heutige ein vielfältiges literarisches Dokument, mit dem sich die Herausgeber Nachruhm verdient haben.
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Bildquellen:
Vorschaubild, Achim von und Clemens Brentano: Des Knaben Wunderhorn. Alte deutsche Lieder.
Heidelberg: Mohr und Zimmer 1806 -1808, Erstdruck (Wilpert/Gührung² 6 für von Arnim; Wilpert/Gühring² 9 für Brentano). Foto © H.-P.Haack via Wikimedia Commons
Des Knaben Wunderhorn von Moritz von Schwind (1804–1871, gemeinfrei