Das folgende Lied ist ein Volkslied aus dem 16. Jahrhundert. Wer es getextet oder komponiert hat, ist nicht bekannt. Es ist das Lied einer unglücklichen Liebe. Der Sänger bringt sein Liebesbegehren mit den Jahreszeiten in Verbindung. Er hofft auf den Frühling und damit auf eine neue und erfüllte Liebe.
Der Titel des Liedes verführt dazu, an die „blaue Blume" der Romantik zu denken. Doch die war ein Symbol der Suche nach einem sehnsuchtsstillenden Irgendwo. Das „Blümlein blaue" dagegen ist real und konkret. Es ist das Vergissmeinnicht, das im Frühling auf grüner Wiese blüht. Der Sänger bittet nicht darum, ihm das Blümlein zu weisen, sondern er weiß von ihm. Im Lied ist es Ausdruck einer verlorenen Liebe und zugleich der Hoffnung, dass im nächsten Frühjahr neue Blüten sprießen.
1. Strophe
Weiß mir ein Blümlein blaue
von himmelischem Schein.
Es staht in grüner Aue,
es heißt Vergißnitmein.
Ich konnt es nirgends finden,
war mir verschwunden gar.
Von Reif und kalten Winden
ist es mir worden fahl.
2. Strophe
Das Blümlein, das ich meine,
ist braun, steht auf dem Ried,
von Art ist es so kleine,
es heißt: nun hab mich lieb.
Das ist mir abgemähet
wohl in dem Herzen mein:
Mein Leib hat mich verschmähet,
wie mag ich fröhlich sein?
3. Strophe
Das Blümlein, das ich meine,
das ist rosinenrot,
ist Herzenstrost genennet,
auf breiter Heid es staht.
Sein Farb ist ihm verblichen,
der Wohlgemut hat verdorrt.
Mein Leib ist mir entwichen,
verlorn han ich mein Hort.
4. Strophe
Weiß mir ein Blümlein weiße,
staht mir in grünen Gras,
gewachsen mit ganzem Fleiße,
das heißt nun gar: Schabab.
Dasselbig muß ich tragen
wohl diesen Sommer lang.
Viel lieber wollt ich haben,
daß mich mein Buhl umfang.
5. Strophe
Mein Herz, das liegt in Kummer,
daß mein vergessen ist,
so hoff ich auf den Sommer
und auf des Maien Frist.
Der reif, der ist vergangen,
dazu der kalte Schnee:
Mein Leib hat mich umfangen,
nun, Winter, heißt's: Ade!
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Vorschaubild: Blaue Blume, gemeinfrei
Noten und Melodie gesetzt von Hanna Glietz