Das Veilchen ist ein Liebesgedicht, das 1774 von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) verfasst und 1775 als Teil des Singspiels Erwin und Elmire in der literarischen Zeitschrift Iris. Vierteljahresschrift für Frauenzimmer veröffentlicht wurde. Bereits zu der ersten Publikation existierte eine Vertonung von Johann André, Johann Friedrich Reichardt (1752-1814) komponierte die vorliegende Weise 1783. Aber auch Wolfgang Amadeus Mozart erschuf für das Gedicht 1785 eine melodische Begleitung. Das Werk ist in seinen Versen und der Lyrik sehr volksliedernah gestaltet. Ihm wird eine nahe Verwandtschaft zum Heidenröslein nachgesagt, da es Goethe auch, als solches betitelt, in seinen Unterlagen vermerkt hat. Typisch für die Bewegung des Sturm und Drang, lässt Goethe ein Veilchen als Mittelpunkt des Begehrens, aber auch zugleich der Gewalt erscheinen. Die anonyme und unbekannte Blume unter vielen möchte von einem schönen Mädchen „gepflückt“ und „gedrückt“ werden und empfindet noch Erfüllung darin, dass es von den Füssen der jungen Frau unachtsam zertreten wird.
Carolin Eberhardt
1. Strophe
Ein Veilchen auf der Wiese stand,
gebückt und unbekannt,
es war ein herziges Veilchen;
Da kam ein junge Schäferin
mit leichtem Schritt und leichtem Sinn daher,
daher, die Wiese her und sang.
2. Strophe
Ach! denkt das Veilchen, wär' ich nur
die schönste Blume der Natur,
ach, nur ein kleines Weilchen,
bis mich das Liebchen abgepflückt
und an dem Busen mattgedrückt!
Ach nur, ach nur ein Viertelstündchen lang!
3. Strophe
Ach! aber das Mädchen kam
und nicht in Acht das Veilchen nahm;
zertrat das arme Veilchen.
Es sank und starb und freut' sich noch:
Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch
durch sie, durch sie, zu ihren Füßen doch.
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Vorschaubild: Veilchen auf der Wiese, 2013, Urheber: AnnaER via pixabay; gemeinfrei; Neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.
Noten gesetzt von Carolin Eberhardt.