Gebauer schreibt in seinem Gedicht über die labenden Auswirkungen eines Sommerregens, der die Natur in der wärmsten Zeit des Jahres wiederbelebt und ihr einen Lebensüberschwang beschert. Er lässt die „Blumenschaaren“ gedeihen, denen der Dichter Personen zuschreibt, die ihre Augen zu der Sonne erheben. Nicht nur der Mensch ist durch die Sommerwonne verzückt. Sogar dem Himmel treten darüber vor Rührung Tränen ins Gesicht, die er versucht mit einem von Gott erbetenen Wolkenschleier zu verbergen. Doch die Tränen rinnen, eine nach der anderen als warmer Sommerregen zur Erde.
Carolin Eberhardt
Steht die Erde grün und heiter,
voller Blumen, voller Kräuter
recht in Lebensüberschwang:
Blickt der Himmel tagelang
Liebefrohen Angesichtes
Aus der Fülle feines Lichtes
Wohlgefällig auf sie nieder.
Und die Blumenschaaren heben
Da die kleinen, kleinen Augen
Zu der großen, großen Sonne,
Ihrem Mutterauge, auf.
Und die Berge steh’n und rauchen,
Und die vollen Ähren beben,
Und der Fluss geht seinen Lauf.
Und der Mensch zerfließt in Wonne,
Und dem Himmel selber treten
Warme Tränen ins Gesicht.
Und ein Tuch, gewebt aus Wolken,
hat er sich von Gott erbeten,
Seine Tränen zu verbergen;
Aber er vermag es nicht!
Eine träufelt nach der andern
Aus dem Wolkentuche nieder,
Und das Land, davon befeuchtet,
Regt vor Freuden seine Glieder,
Und der Regenbogen leuchtet,
in den Lüften schmettern Lerchen,
Und der Mensch singt große Lieder.