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Über Werte und Tugenden

Florian Russi

Mehr denn je wird über die althergebrachten Werte und Tugenden diskutiert. Sind Tugenden und Werte Begriffe aus der Klamottenkiste oder bestimmen sie auch heute noch unser Handeln? 

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?

William Shakespeare

Sonett 18

Das vorliegende Sonett von Shakespeare trägt auch prägenderweise den Titel „Sonett 18“. Dennoch habe ich mir erlaubt, die erste Textzeile als Titel des Gedichtes zu verwenden, in der sich die rhetorische Frage stellt: „Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?“ Intention für die Verwendung dieser ersten Zeile ist das darin vorkommende Wort „Sommertag“, welches zunächst darauf schließen lässt, dass es sich hierbei um ein typisches Sommergedicht handelt. Doch allein die Frage, ob Shakespeare jemanden – vermutlich eine geliebte Frau – mit dem Sommer vergleichen soll, lässt den Leser daran zweifeln, ob hier tatsächlich ein Sommergedicht vorliegt. Natürlich beschreibt der englische Dichter die Eigenschaften des Sommers, aber die Geliebte ist wohl nach dieser Überlegung doch „lieblicher und frischer weit“ als es die warme Jahreszeit vermag. Die erste Strophe mündet in der Einsicht, dass die Herrlichkeit des Sommers doch vergänglich ist. Sowohl Grundtenor als auch Essenz des Sonetts aber ist die Feststellung, dass Shakespeare die Schönheit seiner Geliebten, tiefgründiger betrachtet ihr Andenken, für die Nachwelt konservieren und erhalten möchte. „Denn fort lebst du in meinem Lied unendlich“.

Das vorliegende Sonett ist in seinem Reimschema – ABAB CDCD EFEF GG – ist typisch für das englische Sonnet, bestehend aus vierzehn Zeilen im jambischen Pentameter. Shakespeare verfasste weitere Sonette, welche sich inhaltlich alle mit dem Thema der Liebe, der Schönheit, aber auch mit der Vergänglichkeit bzw. Sterblichkeit beschäftigen.

Die vorliegende deutsche Übersetzung stammt von dem deutschen Schriftsteller und Theaterintendanten Friedrich von Bodenstedt (1783-1850), welcher 1858 nach England ging, um Shakespeare und dessen Werke zu studieren. Es folgte die Herausgabe seines „Shakespeare-Werk in drei Bänden“. Eine Shakespeare-Studie brachte Bodenstedt die Stelle der Intendanz des Hoftheaters in Meiningen ein.

Carolin Eberhardt

 

Soll ich dich einem Sommertag vergleichen?

Nein, du bist lieblicher und frischer weit –

Durch Maienblüten rauhe Winde streichen

Und kurz nur währt des Sommers Herrlichkeit.

 

Zu feurig oft läßt er sein Auge glühen,

Oft auch verhüllt sich seine goldne Spur,

Und seiner Schönheit Fülle muß verblühen

Im nimmerruhnden Wechsel der Natur.

 

Nie aber soll Dein ewiger Sommer schwinden,

Die Zeit wird Deiner Schönheit nicht verderblich,

Nie soll des neidischen Todes Blick Dich finden,

 

Denn fort lebst Du in meinem Lied unsterblich.

So lange Menschen atmen, Augen sehn,

Wirst du, wie mein Gesang, nicht untergehn.

 

*****

Vorschaubild: sommer-blume-liebe-natur-tulpen-69760/, Urheber: PublicDomainPictures auf Pixabay.

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