Das Gedicht „Der Kuß im Traume", verfasst von Karoline von Günderode, hat einen tragischen Entstehungskontext. Bei einem Besuch ihrer Freundin Karoline von Barkhaus verliebte sie sich in Karl von Savigny. Aber diese Liebe bestand nicht auf beiden Seiten und er heiratete später Gunda Brentano. Kurz vor der Vermählung im Jahre 1784 schickte ihm Karoline von Günderode das Gedicht „Der Kuss im Traume". 1804 erschien das Sonett öffentlich.
In dem Gedicht wünscht sich das lyrische Ich die Nacht herbei, da diese den Schmerz des Tages und des Lichtes lindern kann. Außerdem kann der Kuss im Traum die innere Sehnsucht stillen. Das lyrische Ich strebt die Erfüllung des Traumes an, der aber nicht erreicht werden kann.
Das Motiv der Nacht spielt eine große Rolle in der Romantik. Dort werden Sinneswahrnehmungen verarbeitet und der Alltag, sowie das Gewohnte treten in den Hintergrund. Die Nacht ermöglicht dem Menschen sich für den nächsten Tag zu stärken. Außerdem kann der Mensch auf eine höhere Ebene seiner Wahrnehmung gelangen.
Luise Knoll
aus einem ungedruckten Romane
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten,
Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,
Daß neue Wonne meine Lippe saugt.
In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb ich, ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten,
Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.
Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluten.
Drum birg dich Aug dem Glanze ird´scher Sonnen!
Hüll dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluten.
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Bildquelle: Karoline von Günderrode, Anonymes Gemälde, um 1800; Historisches Museum, Frankfurt Main; gemeinfrei, wikipedia