Rainer Maria Rilke lebte während der Entstehung des Gedichts 1924 im Kanton Wallis in der Schweiz. Nach längerer Suche hatte der Dichter das einsam gelegene, pittoreske Gemäuer Muzot als Wohn- und Arbeitssitz gewählt. In der Abgeschiedenheit kam er zur Ruhe und konnte sich auf das Schreiben konzentrieren. Rilkes Leukämie-Erkrankung zwang ihn bereits sich in unregelmäßigen Abständen ins Sanatorium bei Montreux zu begeben.
Im Text, der zum Spätwerk gehört, werden die Merkmale des kargen Winters mit denen des zeitigen, noch wachsenden Frühlings in Kontrast gesetzt. Die Sprachbilder in dem für Rilke so markanten Stil, lehnen sich an sinnliche Wahrnehmungen an, die das Gedicht mit einer erwartungsvollen Spannung umhüllen: Noch ist der Jahreszeitenwechsel vage, nicht fassbar, aber er deutet sich in kleinen Bewegungen und Veränderungen an.
Ulrike Unger
Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigens.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.
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Vorschaubild: Rita Dadder