Kein Gedicht von Wilhelm Busch kommt ohne einen Hauch von Ironie aus. Auch das „Bienengedicht“ erreicht mit einer gewissen Umgangssprache einen frechen Unterton. Mit diesem Gedicht ermuntert der deutsche Schriftsteller den Leser, vielleicht auch den faulen, dazu, sich an den fleißigen Bienen zu orientieren, die von früh bis spät ihrer emsigen Tätigkeit nachgehen. Eine andere Interpretation ist gegenteilig geartet. Auch als leichten Hohn kann die Beschreibung der Bienentätigkeit verstanden werden, denn die Tiere arbeiten nicht ausschließlich für sich, sondern für „Imker Dralle“ und denken auch an nichts außer ihre Arbeit. Was um sie herum geschieht, stört sie kaum und interessiert sie auch nicht. Welche Lehre aus dem Stück gezogen werden möchte, bleibt wohl letztlich dem Leser überlassen. Dennoch: Der Wonnemonat Mai wird stets begleitet vom Gesumm der Bienen, weswegen Busch beide nun Herzlich willkommen heißt.
Carolin Eberhardt
Sei mir gegrüßt, du lieber Mai,
mit Laub und Blüten mancherlei!
Seid mir gegrüßt, ihr lieben Bienen,
vom Morgensonnenstrahl beschienen!
Wie fliegt ihr munter ein und aus
In Imker Dralles Bienenhaus
Und seid zu dieser Morgenzeit
So früh schon voller Tätigkeit.
Für Diebe ist hier nichts zu machen,
denn vor dem Tore stehn die Wachen.
Und all‘ die wacker’n Handwerksleute
Die hauen, messen stillvergnügt,
bis daß die Seite sich zur Seite
schön sechsgeeckt zusammenfügt.
Schau! Bienenlieschen in der Frühe
Bringt Staub und Kehricht vor die Tür;
Ja! Reinlichkeit macht viele Mühe,
doch später macht sie auch Pläsier.
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Vorschaubild: Der Bienenfreund, Öl auf Leinwand, 1863/1864, Urheber: Hans Thoma via Wikimedia Commons gemeinfrei.