Zwei Pilger gingen am Meeresstrand entlang und entdeckten eine Auster, die von den Wellen an Land gespült wurde. Beide waren hungrig und beide beanspruchten, dass sie die Auster besitzen dürften. „Ich habe sie als erster gesehen", sagte der eine. „Du weißt, dass ich von uns beiden die besseren Augen habe. Es gilt das Recht des Entdeckers. Also gehört die Auster mir."
„Dass du die besseren Augen besitzt", antwortete der andere, „heißt noch lange nicht, dass du sie eher als ich gesehen hast. Du weißt außerdem, was ich für eine gute Nase habe. Ehe du die Auster sehen konntest, hatte ich sie schon gerochen."
So stritten sie und wurden sich nicht einig. Da kreuzte ein dritter Pilger ihren Weg und weil sie keine andere Lösung wussten, baten die beiden ihn, den Streit zwischen ihnen zu entscheiden.
er dritte Mann nahm die Muschel an sich, brach sie auf und schlürfte die Auster genussvoll hinunter. Dann gab er den beiden Streithähnen je eine der Schalen und sagte zu ihnen: "Ihr kriegt jeder das Gleiche. Das ist mehr als ihr bekommen hättet, wenn ihr vor ein ordentliches Gericht gezogen wärt. Dann wäre euch der Prozess teuer zu stehen gekommen und am Schluss hättet ihr beide noch draufgezahlt. Seid also zufrieden, dass in eurem Fall ich den Spruch gefällt habe."
Fazit: Wenn man einen Streit nicht friedlich lösen kann, muss man sich sehr genau überlegen, ob es Sinn macht, einen Richter heranzuziehen.
nacherzählt von Florian Russi