Ein Hirsch stand am Ufer eines Bachs und bewunderte in dem Wasser sein Spiegelbild. „Ich will mich ja nicht zu sehr loben", sagte er zu sich selbst, „aber in der ganzen Gegend gibt es keinen zweiten Hirsch, der es an Schönheit mit mir aufnehmen könnte.“ „Keiner hat so ein prächtiges Geweih wie ich. Das meine ist wohl geformt, kräftig und beeindruckend. In edler Statur ragt es gegen den Himmel und flößt jedem, der es sieht, höchsten Respekt ein.“
Nachdem der Hirsch seinen Kopf ausgiebig betrachtet hatte, schaute er zu seinen Füßen und sagte: „Warum sind sie so klein und zierlich? Sie passen ja überhaupt nicht zu meiner stolzen Figur und schon gar nicht zu meinem prachtvollen Geweih“. Während er noch über seine schmalen Füße klagte, hörte er plötzlich das Jagdgebell von Hunden. Da ergriff er sofort die Flucht und lief in höchster Eile in die Mitte eines nahen Waldes, um sich dort zu verstecken. Immer tiefer drang er dort ein, doch schließlich verhedderte er sich mit seinem Geweih in den Zweigen einiger Büsche und Bäume. So sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, sich daraus zu befreien. Da wurde ihm plötzlich bewusst, dass ihm im Augenblick der Gefahr seine kleinen Füße schnell davongetragen hatten, dass von ihm so gelobte Geweih ihn aber behinderte und der Hundemeute preisgab.
Fazit: Schönheit ist gut, aber nicht immer nützlich.
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nacherzählt von Florian Russi
Bild: Hirsch via pixabay.com,gemeinfrei