Es zog ein Schildkröt, Schorsch genannt,
gemächlich durch den Sand am Strand.
Da stürzt mit arrogantem Schrei
der Möwenmax an ihm vorbei
und spottet laut und lacht und kreischt,
weil Schorsch so majestätisch schleicht,
und meint, dass Schorsch mit Tagesfrist
nur hundert Meter weiter ist,
wogegen er, so sagt er dreist,
zehnmal die Insel hat umkreist.
Schon schießt er in den Himmel rauf
und lässt den Kräften freien Lauf.
Und wie er übermütig tollt,
hört er nicht, wie der Donner grollt.
Da fasst der Sturm ihm ins Gefieder
und reißt ihn mit Gewalt hernieder
und schleudert ihn weit auf das Meer.
Und wenn da nicht die Welle wär’,
die Max ans Ufer mitgenommen,
dann wäre er wohl umgekommen.
Da liegt er nun, halbtot und breit,
vom Ziele hundert Meter weit.
Der Sturm fällt auch auf Schorsch herein.
Der zieht den Kopf ein wenig ein,
kneift beide Augen zu und lässt
die Füße auf dem Boden fest,
schiebt sich, geschützt vom Panzerhaus,
zielstrebig Schritt für Schritt voraus,
in jedem Augenblick nicht viel,
doch ist am Abend dann am Ziel
und sagt sich stillvergnügt und heiter:
"Nun bin ich hundert Meter weiter!"
Der Schildkröt-Schorsch, der hat's geschafft,
denn - in der Ruhe liegt die Kraft!
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Vorschaubild: Erstellt von Andreas Michael Werner aus Schildkröte von Janson_G, Möwe von Momentmal und Strandbild von Pexels, via pixabay.com, gemeinfrei