Eine Frau und ein Mann stritten darüber, was Gerechtigkeit sei. „Der Philosoph Nietzsche hat es klar ausgesprochen“, sagte der Mann. „Gerechtigkeit hat sich daraus entwickelt, dass gleichmächtige Parteien sich um bestimmte Güter gestritten und dabei erkannt hätten, dass sie nicht stark genug waren, sich über den anderen hinwegzusetzen. Also verhandelten sie über ihre Ansprüche und vereinbarten einen Tausch. Jede Seite bekommt, was sie am meisten begehrt und überlässt der anderen, was diese am meisten begehrt. Man gibt jedem, was er haben will und empfängt dagegen das Gewünschte.“
„Das ist, wie so oft in der Philosophie, leider zu kurz gegriffen“, erwiderte die Frau. „Das gesamte Prinzip geht schon dann nicht mehr auf, wenn beide Seiten genau dasselbe Gut begehren. In allen Hochkulturen ist die Gerechtigkeit ein fester Begriff und schon im 5. Buch Moses heißt es: „Du sollst das Recht nicht beugen, du sollst kein Ansehen der Person kennen, und du sollst Bestechungen nicht annehmen.
Es geht beim Recht um Zuständigkeiten, Bewertungen, Urteile, Chancen, Verantwortung, Menschenwürde, Fürsorge, Ausgleich, sozialen Frieden und Menschlichkeit. Das Gegenteil von Gerechtigkeit sind Willkür, Korruption und Bestechlichkeit. Wenn du von Gerechtigkeit sprichst, musst du deinen Blick erweitern.“
Fazit: Gerechtigkeit ist weit mehr als der Interessenausgleich zwischen zwei Egoisten.
Oder: Neben Frieden, Freiheit und Vernunft ist die Gerechtigkeit eine der wichtigsten Grundlagen menschlichen Zusammenlebens.
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Vorschaubild: photos/gerechtigkeit-statue-lady-justice-2060093/, Urheber: Sang Hyun Cho auf Pixabay.