In der großen Steppe kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Löwen und Hyänen. Wann immer die Löwen irgendwo Beute gemacht hatten, waren die Hyänen bald zur Stelle, um ihnen einen Teil davon abzujagen. Doch nicht nur das belastetete das Verhältnis der beiden zueinander. Es gab mehrere Fälle, wo Hyänen über Löwen hergefallen waren, die krank waren oder sich verletzt hatten. Solange die Löwen gesund und stark waren, hatten die Hyänen hohen Respekt vor ihnen und hielten sich von ihnen fern. Wenn einzelne Löwen aber Schwächen zeigten, machten sie sich das zunutze. Umgekehrt war es aber auch so, dass die Löwen nicht zimperlich waren, wenn sie irgendwo eine schutzlose Hyäne entdeckten.
Beide Seiten litten unter diesen Verhältnissen, und so kamen ihre Anführer auf die Idee, sich zu Friedensgesprächen zu treffen und nach Wegen zu suchen, die Kämpfe zu beenden. Der König der Löwen berief eine Konferenz ein und alle Löwen und Hyänen der Steppe folgten seiner Einladung.
„So wie bisher kann es nicht weitergehen“, erklärte ein Sprecher der Löwen. „Es ist noch nicht lange her, da war ich mit einem Freund unterwegs und dabei ist er in eine Falle geraten. Leider konnte ich ihm nicht helfen. Was aber taten einige von euch Hyänen? Ihr seid über den Wehrlosen hergefallen und habt ihn zerfleischt.“
„Da habe ich noch viel Schlimmeres erlebt“, ergänzte ein anderer Löwe. „Weil meine drei Kinder großen Hunger hatten, bin ich mit meiner Gefährtin zusammen auf die Jagd gegangen. Die Kinder mussten wir alleine zurücklassen. Das aber haben einige von euch Hyänen ausgenutzt und die Hilflosen getötet und aufgefressen.“
Nach diesen Reden traten weitere Löwen vor und erzählten von ihren schrecklichen Erlebnissen mit den Hyänen. Die Hyänen aber, die bis dahin geduldig zugehört hatten, riefen nun ihrerseits viele Vorfälle in Erinnerung, bei denen Löwen ihnen übel zugesetzt und Unrecht getan hatten. Viele der Vorwürfe wiesen die Löwen von sich und brachten dagegen neue Fälle vor, für die sich die Hyänen entschuldigen müssten. Die aber setzten sich zur Wehr. Beide Seiten steigerten sich in ihrer Wut, und statt zu verhandeln, fielen sie übereinander her und fügten sich viele Verletzungen zu. Die Konferenz endete im Chaos.
In der Folgezeit zeigte sich, dass die Spannungen zwischen den Tieren immer mehr zunahmen und sie jede Gelegenheit nutzten, um sich zu schaden und in immer neue Gefahren zu bringen. Da rief der König der Löwen seine Berater zusammen und sagte: „Wir haben bei unserer Friedenskonferenz einen entscheidenden Fehler gemacht. Frieden erreicht man nicht mit gegenseitigen Vorwürfen. Man muss seine Geschichte kennen und daraus Lehren ziehen. Um aber Einigkeit zu erreichen, muss man in die Zukunft schauen und sich gegenseitig klarmachen, was friedliche Beziehungen für alle Beteiligten an Vorteilen bringen. Lasst uns erneut auf die Hyänen zugehen. Ich weiß, dass auch sie am Frieden interessiert sind.“
Fazit: Wer gesund und zufrieden leben will, darf nicht alte Wunden aufreißen.
*****
Vorschaubild: photos/tiere-modelle-ausstellung-show-256547/, Urheber: Bruce Emmerling auf Pixabay.