Deutschland-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Deutschland-Lese
Unser Leseangebot

Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Die Geschichte des Diktators

Die Geschichte des Diktators

Florian Russi

Ein Diktator, der grausam über das Land herrschte, machte Genesungsurlaub in einer kleinen Gemeinde. Dort erschienen kurz darauf einige seiner Leibwächter vor dem Pfarrer der örtlichen Kirche. Sie kündigten an, dass der Diktator an einem Gottesdienst teilnehmen wolle, um sich bei Gott zu bedanken, dass er ihn von einer schweren Krankheit errettet habe, und um seine Verbundenheit mit den vielen Christen im Lande zu bekunden. Anschließend untersuchten die Leibwächter die Kirchenräume und besprachen mit dem Pfarrer einige Sicherheitsmaßnahmen, die er zu befolgen hatte.

Erfreut nahm der Pfarrer zur Kenntnis, dass der gefürchtete Diktator ein gläubiger Christ sei und den Gottesdienstbesuch fest geplant habe. Da auch der Pfarrer ein tiefgläubiger Mann war, bereitete er eine Predigt vor, die dem Diktator einige wesentlichen Grundsätze seiner Religion in Erinnerung rufen sollte.

Wie angekündigt erschien der Diktator, umgeben von seiner Leibwache, zum Gottesdienst. Der Pfarrer segnete ihn, trat mit würdevollem Blick auf die Kanzel und begann zu predigen. Er sprach von der Liebe Gottes zu allen Menschen, von der Nächstenliebe, vom Verbot, andere Menschen zu quälen und zu töten sowie von den Höllenqualen, die einen Mörder im Jenseits erwarteten. Nachdem der Gottesdienst beendet war, ging der Diktator auf den Pfarrer zu und schüttelte ihm feierlich die Hand.

Am folgenden Sonntag musste der Gottesdienst ausfallen. Der Pfarrer war nicht erschienen und auch nirgendwo aufzufinden. Niemand hörte mehr etwas von ihm. Hinter vorgehaltener Hand verbreiteten die Gemeindemitglieder die wildesten Geschichten. Schließlich sah sich der zuständige Bischof zu einer offiziellen Stellungnahme veranlasst.

Der Diktator habe den Pfarrer in seine Residenz aufgenommen, und um sich auf diese hohe Auszeichnung vorzubereiten, habe sich der Geistliche für eine längere Zeit anonym in ein Kloster zurückgezogen.

Fazit: Einem Diktator kann man nicht mit Worten beikommen.

Oder: Kein Tyrann lässt sich durch göttliche Gebote begrenzen.

Oder: Ein Diktator glaubt nur an sich.

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Der Alchimist
von Florian Russi
MEHR
Die Frauenmannschaft
von Florian Russi
MEHR
Das Irrenhaus
von Florian Russi
MEHR
Der Tod des Tyrannen
von Florian Russi
MEHR
Der Systemsprenger
von Florian Russi
MEHR
Anzeige
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen