Ein Mann lud einen anderen in sein Haus ein. Die beiden nannten sich „Autonome“ oder „Reichsbürger“ und erkannten in dem Land, in dem sie lebten, weder das bestehende politische System der Demokratie noch die amtierende Regierung an. „Unsere Häuser sind unsere Staaten und dort herrschen wir ganz allein“, sagten sie. Entsprechend empfing der eine den anderen in voller Ehrerbietung. Er hatte für ihn einen roten Teppich ausgerollt, seine Frau und seine Kinder standen Spalier und sein ältester Sohn blies auf einer Trompete. Der Gast nahm dies zufrieden zur Kenntnis und salutierte. Später sagte er: „Wir sollten offizielle diplomatische Beziehungen miteinander aufnehmen und ein Handelsabkommen schließen. Meine Frau betreibt einen kleinen Hühnerhof. Sie kann euch zollfrei regelmäßig Eier liefern.“
„Dafür könnte mein Sohn in eurem Haus die elektrische Datenverwaltung übernehmen“, erwiderte der Gastgeber. Die beiden reichten sich die Hände und wurden sich schnell einig.
„Als Gastgeschenk habe ich euch ein Plakat mitgebracht“, erklärte der Besucher. „Ich habe es selbst hergestellt und mit dem Motto „Ehre, Identität und Vaterland“ beschriftet.“
„Wir wollen es in unserem Flur ankleben, so dass jeder Besucher es gleich sehen kann“, erklärte der Gastgeber. Dann sagte er zu seiner Tochter: „Lauf mal schnell um die Ecke zum Kramladen und kaufe eine Tube Uhu, damit wir das Plakat ankleben können.“ Die Tochter erwiderte: „In der Schule habe ich gelernt, dass zu einem Staat auch die Staatsmacht gehört. Wenn wir nicht einmal Klebstoff im Haus haben, ist es mit unserer Eigenstaatlichkeit nicht weit her.“
Fazit: Eigenmächtigkeit bedeutet noch lange nicht Macht.
Oder: Auf Selbstüberschätzung folgt schnell die Ernüchterung.
Oder: Wer in seinen vier Wänden spielen will, dem sei eine Modelleisenbahn empfohlen.
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Vorschaubild: photos/treppe-foyer-residenz-roter-teppich-3728350/, Urheber: Peter H auf Pixabay.