Ein Kaufmann hatte ein Grundstück gekauft und drängte darauf, als neuer Eigentümer ins Grundbuch eingetragen zu werden. Da er den zuständigen Beamten ein wenig kannte, rief er immer wieder im Grundbuchamt an und versuchte den Beamten zu sprechen. Doch der reagierte nicht oder aber einer seiner Kollegen meldete sich und erklärte: „Den können Sie jetzt nicht sprechen. Er ist gerade im Archiv.“
Nach vielen erfolglosen Versuchen gab ihm ein Bekannter einen Tipp. „Geh mal morgen ins Café um die Ecke. Dort findest du den Beamten, Kaffee trinkend und Zeitung lesend.“
Schon am folgenden Tag suchte der Kaufmann das genannte Café auf, und wie der Bekannte ihm angekündigt hatte, saß dort der Beamte und las in einer Zeitung. Sofort ging der Kaufmann auf ihn zu und sagte: „Seit Wochen versuche ich, Sie in Ihrem Amt zu erreichen. Ich hatte nicht damit gerechnet, Sie im Café anzutreffen.“
„Das hat eine bestimmte Bewandtnis“, erwiderte der Beamte. „Ich bin es gewohnt, pünktlich in meinem Büro zu erscheinen und die vorliegenden Fälle abzuarbeiten. Das aber hat einige meiner Kollegen gestört und die haben sich an unseren Betriebsrat gewandt. Dort hat man entschieden, dass 5 Vorgänge am Tag für jeden Beamten ausreichend seien. Mehr zu tun schade letztlich der Gesundheit. Ich solle mich daher solidarisch zeigen und auch nicht mehr tun. Ich arbeite immer sehr zügig. Da ich nicht die restliche Arbeitszeit am Schreibtisch sitzen und Däumchen drehen wollte, kam ein Gewerkschafter auf die Idee mit dem Archiv und man hat mir versichert, dass ich bei anstehenden Beförderungen nicht übergangen würde. So ist es auch geschehen. Da ich aber nicht nur Beamter, sondern auch Mensch bin, werde ich als erstes Ihre Angelegenheit heraussuchen und sie, wie ich es immer tue, umgehend erledigen.“
Fazit: Behörden sind Rechtsinstitute, aber mit Menschen besetzt.
Oder: Bürokratien haben ihre eigenen Regeln.
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