Deutschland-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Deutschland-Lese

Autor Christoph Werner lässt den Weimarer Unternehmer und Verleger Friedrich Justin Bertuch zurückblicken auf das eigene Leben.

Ein Tag im Leben des Friedrich Justin Bertuch

Unser Leseangebot
Der Alleinherrscher und die Wissenschaft

Der Alleinherrscher und die Wissenschaft

Florian Russi

Ein Mann hatte in seinem Land die Alleinherrschaft ergriffen und begann, es nach seinen Vorstellungen neu zu formen. Dabei umgab er sich nur mit Leuten, die ihm völlig zu Diensten waren. Alle anderen bekämpfte, beleidigte und verleumdete er. Ein besonders Ärgernis waren ihm die Universitäten, die sich der freien Forschung und Lehre verpflichtet fühlten. Er strich ihnen öffentliche Gelder und sein zuständiger Minister ordnete an, dass sie ihre Forschungsergebnisse nicht mehr in wissenschaftlichen Fachschriften, sondern nur noch in regierungsamtlichen Publikationen veröffentlichen durften. Er stellte einen Sekretär ein, der ohne eigene Bildungsvoraussetzungen und damit unbefangen die Veröffentlichungen prüfen und filtern sollte. Der nutzte dazu die Künstliche Intelligenz, die bei Begriffen wie Wissenschaft, Ethik, Wahrheit, Logik, Vernunft oder Kritik sofort Alarm schlug.

Die Geistesschaffenden im Land reagierten traurig und entsetzt. Ein Sektenprediger jedoch lobte die Maßnahme in hohen Tönen: „Das ist unser Weg zurück ins Paradies. Mit der Suche nach Erkenntnissen fing das Elend der Menschen an. So steht es schon in der Bibel.“

Viele Bürger im Lande schlossen sich dieser Meinung an und sagten: „Auch wir hätten gerne studiert, doch die Professoren an der Universität waren so arrogant, uns abzuweisen. Das Gesindel in den Wissenschaften verfolgt nur eigene Interessen, redet unverständlich und verdient viel zu viel Geld. Endlich hatte jemand den Mut, dem ein Ende zu bereiten.“

Der Alleinherrscher nahm das befriedigt zur Kenntnis und sagte zu sich selbst und auch in der Öffentlichkeit: „Es war ein Einziger, der das Weltall und die Menschen erschaffen hat. So bin auch ich alleine ausersehen, die Menschen dahin zu führen, wo es mir gerade gefällt.“

Fazit: Nicht ohne Grund plädierten die bedeutendsten Verfassungsrechtler für die „repräsentative“ Demokratie, d. h. die Regierung wird auf Zeit und unter Kontrolle von vertrauenswürdigen Persönlichkeiten wahrgenommen.

Oder: Dummheit und Klugheit sind zwei voneinander unabhängige Möglichkeiten.

Oder: Willkür ist eines der schlimmsten Übel.

Oder: An dieser Stelle ausnahmsweise ein Witz: Zwei Irre sitzen im Garten einer psychiatrischen Klinik auf einer Bank und beobachten die Sterne am Abendhimmel. Sagt der eine zum anderen: „Siehst du, dafür haben sie Geld, um uns studieren zu lassen, fehlt es vorne und hinten.“

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Die Giftplanzen
von Florian Russi
MEHR
Die Reihenfolge
von Florian Russi
MEHR
Das erste Fenster
von Florian Russi
MEHR
Herr mit Hund
von Florian Russi
MEHR
Anzeige
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen