Ein Kaufmann aus einem reichen Land reiste in das Nachbarland, in dem weithin große Armut herrschte. Dort traf er sich mit einem Händler, um mit ihm ein Geschäft abzuschließen. In den Gesprächen, die er mit ihm führte, stellte er seine wirtschaftlichen Erfolge heraus und hielt den Händler an, es ihm gleich zu tun. „Die Welt ist voller Möglichkeiten“, erklärte er. „Niemand muss arm sein. Wer beherzt zupackt und fleißig ist, dem bieten sich viele Chancen.“
Da erwiderte der Händler: „Der Reichtum deines Landes trägt wesentlich zu unserer Armut bei. Zur Zeit gibt es bei uns keine Eier zu kaufen. Grund dafür ist der, dass bei euch eine Vogelgrippe ausgebrochen ist und Millionen Hühner getötet wurden. Was aber ist die Folge? Ihr kauft die Eier, die unsere Hühner gelegt haben und könnt euch das leisten, weil ihr genug Geld habt, um höhere Preise dafür zu zahlen als unsere Staatsbürger. Also gehen die Eier an euch und wir bleiben hungrig zurück.
Weil es in unserem Land so viel Armut gibt, versuchen viele in eurem eine Arbeit zu bekommen. Wenn sie etwas finden, dann sind es schlecht bezahlte Arbeiten, die bei euch keiner machen will, wie Erntehilfe oder kleine Dienstleistungen. Das wenige Geld, das sie dabei verdienen, geht an ihre Familien zuhause, die es brauchen, um überleben zu können. Dabei bleibt nichts übrig, um zu investieren und sich eine Zukunft aufzubauen.
Ein weiteres Argument ist für mich, dass es in unserem Land viele Verbrecherbanden gibt. Es sind Familien, Gangs und junge Männer, die in einem reichen Land Firmen gründen, studieren und Karrieren machen würden. Diese Chancen bieten sich bei uns nicht. Also organisieren die Betreffenden sich im Drogen- oder Menschenhandel. Bei uns finden sie nicht viele, die es sich leisten können, ihnen ihre Ware abzukaufen. Also engagieren sie sich auch im Schmuggel und verkaufen ihre Ware bei euch. Steuern zahlen sie dafür nicht, unser Staat bleibt arm. Andererseits kämen sie nie auf die Idee, unser Land zu verlassen. Ein armes Land hat viel weniger Möglichkeiten, sich gegen Kriminalität zur Wehr zu setzen als ein reiches. Außerdem finden sie unter den Armen viel leichter willige Helfer und Handlanger.
Die Mahnung an uns, richtig anzupacken, verhallt daher an den Gegebenheiten. Im Interesse unserer beiden Länder wäre es, wenn wir unsere Wirtschaften aufeinander abstimmen und uns gegenseitig fördern würden. Wir könnten uns ergänzen und Wege finden, von denen wir beide profitieren würden.“
Fazit: Wer reich werden will, braucht Kunden, die sich seine Angebote leisten können.
Oder: Wenn niemand Geld hat, bleiben alle arm.
Oder: Wohlstand bedingt einen fairen Handel und Subsidiarität.
*****
Vorschaubild: vectors/karikatur-charakter-diamant-mann-1292879/, Urheber: OpenClipart-Vectors auf Pixabay; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.