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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Abstand halten

Abstand halten

Florian Russi

In einem Kindergarten mussten einige Räume erneuert werden. Dabei unterlief der Firma, welche die Erneuerung durchführte, ein Fehler. Im Ergebnis zeigte sich an den Wänden der sanierten Räume ein Pilzbefall. Die Eltern der Kinder erfuhren davon, einige von ihnen waren von Beruf Mikrobiologen, es kam zu einem Aufstand. Der Träger des Kindergartens schloss die Einrichtung, verlangte von der Ausstattungsfirma, das Problem sofort zu beheben und organisierte es so, dass die Kinder vorübergehend in einem anderen Kindergarten untergebracht wurden. Das reichte vielen Eltern nicht. Sie unterrichteten die Medien und führten Klage in den sozialen Netzwerken. Der stellvertretende Vorsitzende des Elternbeirates zitierte den Vorsitzenden des Trägers herbei und machte ihm in Anwesenheit von Journalisten bittere Vorwürfe. Er verlangte Wiedergutmachung und wünschte, jeden Tag persönlich über alle Maßnahmen zur Lösung des Falls in aller Ausführlichkeit informiert zu werden. „Wenn es um unsere Kinder geht, kennen wir keine Entschuldigungen“, sagte er, und der anwesende Journalist stimmte ihm zu.

Wenig später erhielt der Vorsitzende des Trägers ein Schreiben des örtlichen Amtsgerichts. „Jstzt hat der Elternvertreter uns auch noch verklagt“, stöhnte er und öffnete den Brief. Darin hieß es: „Als Betreiber des Kindergartens müssen wir Sie darüber informieren, dass der stellvertretende Vorsitzende des Elternbeirates durch Gerichtsurteil die Auflage bekommen hat, sich seinen zwei Kindern nicht mehr als 200 Meter zu nähern.“

Fazit: Wenn jemand allzu bestimmend auftritt, empfiehlt es sich, sein Verhalten näher zu durchleuchten.

 

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Vorschaubild: photos/index-finger-zeigend-sie-hand-me-315754/, Urheber: PublicDomainPictures auf Pixabay.

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