Gorm Grymme, der Legende nach erster König von Dänemark, liebt seinen Sohn, den Fontane Harald nennt, so sehr, dass er demjenigen mit der Hinrichtung droht, der ihm jemals melden würde, dass sein Sprössling ums Leben gekommen sei.
Eines Tages sticht Harald mit einer Flotte von 300 Schiffen in See. Nur drei davon kehren zurück und eines führt die Leiche des Königssohns an Bord.
Die Königin, die als erste davon erfährt, übernimmt es, ihrem Gemahl die traurige Botschaft zu überbringen. Sie tut es, indem sie sich schwarz kleidet, in den königlichen Gemächern Kerzen aufstellt und die bunten Stoffe durch schwarze ersetzt. Daraus erkennt der König, was geschehen ist und spricht es nun selbst aus. Dann macht er seine Drohung wahr und beendet sein eigenes Leben.
Fontanes Ballade zeigt auf, dass auch Könige nicht allmächtig sind und Drohungen sich gegen den kehren können, der sie ausspricht.
Florian Russi
Thyra Danebod schreitet hinab an den Sund,
Sie hatte die Segel gesehn;
Sie spricht: »Und bangt sich euer Mund,
Ich meld ihm, was geschehn.«
Ab legt sie ihr rotes Korallengeschmeid
Und die Gemme von Opal,
Sie kleidet sich in ein schwarzes Kleid
Und tritt in Hall und Saal.
In Hall und Saal. An Pfeiler und Wand
Goldteppiche ziehen sich hin,
Schwarze Teppiche nun mit eigener Hand
Hängt drüber die Königin,
Und sie zündet zwölf Kerzen, ihr flackernd Licht,
Es gab einen trüben Schein,
Und sie legt ein Gewebe, schwarz und dicht,
Auf den Stuhl von Elfenbein.
Ein tritt Gorm Grymme. Es zittert sein Gang,
Er schreitet wie im Traum,
Er starrt die schwarze Hall entlang,
Die Lichter, er sieht sie kaum,
Er spricht: »Es weht wie Schwüle hier,
Ich will an Meer und Strand,
Reich meinen rotgoldenen Mantel mir
Und reiche mir deine Hand.«
Sie gab ihm um einen Mantel dicht,
der war nicht golden, nicht rot,
Gorm Grymme sprach: »Was niemand spricht,
Ich sprech es: Er ist tot.«
Er setzte sich nieder, wo er stand,
ein Windstoß fuhr durchs Haus,
die Königin hielt des Königs Hand,
die Lichter loschen aus.
(Erstdruck 1872)
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Bild: König Gorm erhält die Nachricht vom Tod seines Sohnes. Gemälde von August Carl Vilhelm Thomsen (1813-86).