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Heft 1

A |E | I | O | U … Hör gut zu!

Dieses Arbeitsheft beginnt mit einem Vorkurs zur “phonologischen Bewusstheit” und übt das Silbenglieder, das Anlauterfassen und das Reimwortfinden.

Die Wartburg

Die Wartburg

Florian Russi

Sie gehört zu den Wahrzeichen Deutschlands und war der Ort bedeutender Ereignisse. Am nordwestlichen Ende des Thüringer Waldes, oberhalb der Stadt Eisenach gelegen, war sie um 1067 von Ludwig dem Springer erbaut worden. Seit 1999 gehört sie zum UNESCO-Welterbe.

Vier herausragende Begebenheiten sind mit der stattlichen Burganlage verbunden. Das war in historischer Abfolge zunächst der sogenannte Sängerkrieg, dann das Leben und Wirken der heiligen Elisabeth in den Jahren 1211 – 1227 auf der Burg, die Bibelübersetzung durch Martin Luther (1521/22) sowie das Wartburgfest der Deutschen Burschenschaften am 18.10.1817.

Beim Sängerkrieg handelt es sich um eine Legende. Hintergrund ist das kulturelle Engagement des Landgrafen Hermann I., der von 1190 bis 1217 über die Wartburg herrschte. Er war ein großer Förderer, vor allem der Dichtkunst, und lud die bedeutenden Autoren seiner Zeit, so die Minnesänger Walter von der Vogelweide, Wolfram von Eschenbach und Heinrich von Veldeke – auch der sagenhafte Heinrich von Ofterdingen soll dazu gehört haben – auf seine Burg ein. Dort entstand eine Sammlung mittelhochdeutscher Gesangs- und Sprechtexte. Einige Autoren formten daraus die Sage von einem Gesangswettstreit, in dem sich die Genannten um die Gunst des Grafen bemühten. Als „Sieger“ aus diesem Streit ging die deutsche Literatur hervor, die durch die Sammlung entscheidende Impulse erfuhr. 

Im Jahr 1211 kam die damals vierjährige Prinzessin Elisabeth nach Thüringen. Sie war die Tochter des ungarische Königs Andreas II. und dazu bestimmt, die Ehefrau des Thronerben von Hermann I. zu werden. 1221 heiratete sie dessen Sohn und Nachfolger, Ludwig IV. Es handelte sich um eine damals in Adelskreisen übliche Ehevermittlung, die dem Kalkül der politischen und wirtschaftlichen Nützlichkeit entsprang. Doch in diesem Fall entfaltete sich zwischen Elisabeth und Ludwig eine tiefe Liebe. Die beiden bekamen drei Kinder. Die Ehe währte jedoch nicht lange, weil Ludwig 1227 auf dem Fünften Kreuzzug ums Leben kam. Elisabeth war eine tiefgläubige junge Frau, die sich vom Vorbild des Heiligen Franziskus von Assisi beeindruckt zeigte. Entgegen den Gepflogenheiten auf der Burg und den Erwartungen an sie als die Frau des Landesherrn, war sie aktiv wohltätig und versorgte und pflegte Arme und Kranke. Kennzeichnend dafür ist die Legende vom sogenannten „Rosenwunder“. Danach soll sie wieder einmal Speisen vom Mittagstisch an sich genommen und unter ihrem Kleid versteckt haben, um sie heimlich an Arme zu verteilen. Ihr Gatte schöpfte Verdacht und fragte sie, was sie denn in ihrem Kleid verborgen halte. Da soll sie ihm geantwortet haben: „Rosen“. Und tatsächlich, als sie ihren Kittel aufdeckte, kam ein Rosenstrauß zum Vorschein. Mit diesem Wunder soll Gott seine Liebe zu der tugendhaften Elisabeth gezeigt haben. An deren Tugend war auch der Prediger, Hexenverfolger und Inquisitor Konrad von Marburg sehr interessiert. Er wurde 1226 ihr Beichtvater und Seelenführer, unterwarf sie völlig seinem Willen und züchtigte sie auch körperlich. Auch auf den Ehemann Ludwig gewann er großen Einfluss. Er überredete ihn, an dem Kreuzzug teilzunehmen, bei dem der Landgraf den Tod fand. Entsprechend stieg Konrads Einfluss auf Elisabeth. Er brachte sie dazu, mit ihm nach Marburg zu ziehen und dort ein Hospital zu gründen, in dem Elisabeth sich seelisch und körperlich aufopferte. Sie starb mit 24 Jahren. 1235 wurde sie von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Der Orden der „Schwestern von der heiligen Elisabeth“ geht auf sie zurück. Weltweit gehört sie bis heute zu den meistverehrten Glaubenszeuginnen, anders als ihr Mentor Konrad, der eher als Scheusal gesehen wird.

Das dritte hochrangige Ereignis auf der Wartburg war Luthers Bibelübersetzung. Sie hatte nicht nur zur Folge, dass immer mehr Menschen in Deutschland die Heilige Schrift kennenlernen konnten, sondern trug auch wesentlich dazu bei, dass die deutsche Sprache eine passende und allgemeinverständliche Form fand. Zahlreich und bis heute unübertroffen sind die vielen Wort- und Satzbildungen Luthers, wie z. B. „Perlen vor die Säue werfen“, „Sündenbock“, „Lückenbüßer“ oder „Allein der Glaube ist des Gewissens Friede“. Wie aber kam Luther auf die Wartburg? Auf dem Reichstag von Worms im Jahr 1521 war er als Ketzer für vogelfrei erklärt worden, d. h. jeder, der ihn traf, konnte und – wenn er die Möglichkeit dazu hatte – sollte ihn umbringen. Um ihn zu schützen, ließ sein Gönner, der sächsische Fürst Friedrich der Weise, ihn zum Schein überfallen und anschließend auf der Wartburg verstecken. Dort lebte Luther zehn Monate lang unerkannt als Mönch „Junker Jörg“. Die Nachwirkungen sind bis heute hoch bedeutsam.

Viertes Großereignis war das „Wartburgfest“ der deutschen Burschenschaften im Jahr 1817. Es handelte sich dabei um ein Treffen von Studenten und Professoren verschiedener Universitäten, vor allem aus dem damals hochbedeutenden Jena. Ziel des Treffens war es, die in über 300 Herrschaften aufgesplitterten Länder des 1815 gegründeten Deutschen Bundes zu einigen und ihnen eine bürgergerechte Verfassung zu geben. Viele der damals angestrebten Verfassungsgrundsätze, Forderungen wie Freiheit und Gleichheit,  Rede- und Pressefreiheit, finden sich im heutigen Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.

Blickt man auf die Geschichte und Geschichten wird ersichtlich, dass wer Deutschland kennen und verstehen will, um die stolze Wartburg keinen Umweg machen darf.

Impressionen der Wartburg

Der Eselritt zur Wartburg: seit 2022 abgeschafftAuf der Wanderung zur WartburgDie Wartburg: ein imposantes BauwerkEin Blick aus dem Vorhof durch das TorhausEin Blick von der WartburgDer BurghofDer BergfriedDer Palas

 

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Bilder: Florian Russi

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