„Schloss Schwetzingen ist vor allem wegen der Schönheit und Harmonie seines Schlossgartens weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt.“ – So ist es im Museumsflyer nachzulesen und der hält, was er verspricht, selbst in einer Jahreszeit, in der sich die Natur langsam auf die Winterruhe vorbereitet.
Es ist bereits Herbst, und Nebelfelder halten die wärmenden Sonnenstrahlen zurück. Vom Schlossplatz mit seinen repräsentativen Bauten kommend betreten wir den großen Ehrenhof der barocken Dreiflügelanlage, den im Süden und im Norden Seitentrakte abgrenzen. Den viergeschossigen Schlossmittelbau im Blick gelangen wir in einen kleineren Ehrenhof mit Nord- und Südflügel. Zur Gartenseite gibt es noch einen Erweiterungsbau.
Doch erst einmal geht es zur Führung in die musealen Innenräume des Schlosses, wo es vielleicht gemütlicher wird. Fehlanzeige! In den Räumen fühlt es sich kälter als draußen an. Mein fragender Blick auf die Marmorkamine in den Zimmern wird von dem Herrn, der uns führt, lächelnd aufgenommen und wir erfahren, dass dieses Schloss nur Sommerresidenz war. An kühlen Tagen wurden vielleicht die Kamine, die jetzt leider nur schmückendes Beiwerk sind, geheizt.
In der Führung erfahren wir, dass die Anfänge des Schwetzinger Schlosses um 1350 liegen. Damals war es eine Wasserburg. 1427 kam diese in den Besitz der Kurfürsten von der Pfalz. Über die Jahrhunderte wurde die Anlage mehrfach umgestaltet, zerstört und wieder aufgebaut. Die planmäßige Erweiterung des Schlosses und seines Gartens erfolgte in der Regierungszeit der Kurfürsten Johann Wilhelm (1658-1716), Carl Philipp (1661-1742) und Carl Theodor (1724-1799). Den letzten Namen sollte man sich merken, denn unter der Regierung von Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz erlebte die prachtvolle Schlossanlage ihre höchste Blüte.
Die wechselvolle Geschichte des Schlosses spiegeln auch seine Innenräume wieder. Das sogenannte Corps de Logis wurde 1780 zum letzten Mal erweitert. Das Schloss, das dann nur noch zeitweise bewohnt war, fiel 1803 mit der gesamten rechtsrheinischen Pfalz an die Markgrafen und späteren Großherzöge von Baden. Durch diese erfolgten letzte Veränderungen im Stil des Empire. Heute kann man im 1. Obergeschoss die beiden Appartements des Kurfürsten Carl Theodor und der Kurfürstin Elisabeth Augusta (1721-1794) besichtigen, im zweiten Obergeschoss die Quartiere des pfälzischen Erbprinzen Christian von Pfalz-Zweibrücken (1722-1775) und der badischen Reichsgräfin Luise von Hochberg (1768-1820). Es gibt auch eine Schlosskapelle, die der bekannte Karlsruher Baumeister Friedrich Weinbrenner klassizistisch umgestaltete.
Viel Geld wurde für die Renovierung und Restaurierung investiert. Man sieht das nicht auf den ersten Blick, glaubt, alles hätte schon immer so ausgesehen. Doch während der Führung erfahren wir, welche Mittel allein in die Sanierung von Fußböden, Fenstern und Decken geflossen sind. Auch die Möblierung, wie sie heute zu sehen ist, erforderte zur Vervollkommnung einige Kunstgriffe bei Antiquitätenhändlern und auf Flohmärkten. Die Inventarbücher von 1775 und 1804 dienten als Hilfe, um fehlende Originalmöbel durch ähnliche Möbel zu ersetzen und die frühere Funktonalität der Räume wiederherzustellen. Wunderschöne Stoffe, mit denen einst die Wände bespannt waren, konnten nach alten Vorlagen neu hergestellt werden. Eine Augenweide sind auch die im Compagnie- oder Schweizer Zimmer noch erhaltenen gedruckten Panoramatapeten, die Schweizer Landschaften zeigen.
Der Durchgang vom Schloss zum Garten gleicht einem Übergang in eine andere Welt. Vor uns eröffnet sich das sogenannte Kreisparterre, das als weltweit einmalige Schöpfung barocker Gartenkunst gilt. Das innere Achsenkreuz stellt das grundlegende Koordinatensystem für diese prachtvolle Gartenanlage dar. Auf einem Plan kann man auch sehen, dass die geografische Achse zwischen dem Heidelberger Hausberg, dem Königstuhl, und dem Kalmit, dem höchsten Berg im Pfälzer Wald, in diesem Koordinatensystem liegt, zudem wird eine Einheit von Stadt und Schloss hergestellt.
Nördliche und südliche Zirkelbauten begrenzen das Kreisparterre nach Osten. Durch das nördliche Zirkelhaus erreicht man das dahinter liegende kurfürstliche Hoftheater, berühmt als das erste in Europa gebaute Rangtheater. Es wird heute noch für Aufführungen genutzt. Hier im Frühjahr die Schwetzinger Festspiele des Südwestrundfunks oder im Herbst die Mozart-Festspiele zu erleben, steht noch auf meiner persönlichen Wunschliste. Im Mozartsaal des südlichen Zirkelbaus spielten übrigens am 18. Juli 1763 der siebenjährige Wolfgang Amadeus Mozart und seine Schwester Nannerl dem kurpfälzischen Hof vor.
Der inmitten des Kreisparterres gelegene Arionbrunnen, dessen 15 m hohe Fontäne schon aus der Ferne beeindruckt, zieht uns magisch an. Überhaupt kommt den Wasserspielen eine wichtige Bedeutung zu, man entdeckt sie selbst in den intimsten Winkeln. Das Element Wasser galt schließlich als die lebendige Seele der Gärten. Das sogenannte Vogelbad, bei dem sich zwei flache Wasserläufe auf ein zentrales Becken zuschlängeln, passt genau in dieses Bild, während das Hirschbassin daran erinnert, dass Schwetzingen auch Jagdschloss war.
Auch der Garten hat – wie das Schloss – eine wechselvolle Geschichte. Doch mit dem Regierungsantritt des Kurfürsten Carl Theodor im Jahre 1742 brach für Schwetzingen ein neues Zeitalter an. Die planmäßige Erweiterung der Sommerresidenz, die ganz auf den Garten hin ausgerichtet wurde, beinhaltete auch die Neukonzeption des Gartens. Bedeutende Gartenarchitekten der Zeit wie Nicolas de Pigage und später Friedrich Ludwig von Sckell wurden, unterstützt von prominenten Künstlern, mit der Gestaltung der Anlage betraut. Der zentrale Gartenbereich mit Zirkelbauten, Laubengängen und kreisrundem Parterre ist in vollkommener Symmetrie und Regelmäßigkeit gestaltet. Interessanterweise wurde die französische Konzeption des Barockgartens im ausgehenden 18. Jahrhundert um landschaftliche Partien des englischen Gartenkonzepts ergänzt. Die Verknüpfung zweier Konzeptionen der Gartengestaltung ist hier in einzigartiger Weise gelungen. Überhaupt gilt diese Anlage durch das heute noch erhaltene wunderbare Zusammenspiel von Gartenkunst, Architektur, Skulptur und Kunsthandwerk als eine der am besten erhaltenen Gartenschöpfungen des 18. Jahrhunderts.
Von den weit über 100 Skulpturen im Garten wurden nahezu alle inzwischen durch Kopien ersetzt. Die wichtigsten Originale sind im Lapidarium in der neuen Orangerie zu sehen. Hier stehen jetzt auch schon – vor der Kälte geschützt – die vielen prachtvollen Kübelpflanzen wie Oleander, Palmen und Zitrusgewächse, die sonst den Orangeriegarten zieren.
Beim etwas planlosen Spaziergang entdecken wir wunderschöne Blickachsen aber auch malerische Bauwerke wie den Tempel der Minerva, den Apollotempel mit einem Naturtheater oder das römische Wasserkastell. Das Badhaus, ein kleines Lusthaus mit eigenem Garten, das von Nicolas de Pigage nach Art einer italienischen Villa gebaut wurde, ist leider schon geschlossen. Schon deshalb müssen wir unbedingt wiederkommen. Denn das Badhaus, so kann man es nachlesen, ist ein besonderes künstlerisches Kleinod. Es war eine Art Rückzugsort für den Kurfürsten, der hier Gäste wie den Dichter und Musiker Christian Friedrich Daniel Schubart empfing.
Eine weitere architektonische Besonderheit ist die Moschee, deren Minarett wir aus der Ferne sehen. Sie befindet sich im „Türkischen Garten“. Das Gebäude, das auch Nicolas de Pigage schuf, besaß eine rein dekorative, keine religiöse Funktion. Es soll der größte Bau dieser Art in einem deutschen Park sein. Beim Abschied wird uns klar, dass wir heute nur einen Teil dieser riesigen Gartenanlage gesehen haben. Ein Wiedersehen ist schon jetzt fest eingeplant, und dann ist auch der Gartenplan in meinem Handgepäck.
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- Vorschaubild. Schlossmittelbau, Ostfassade mit Uhrturm. Urheber: Birgitt Sandke
- Blick über den Arionbrunnen zum Schloss. Urheber: Birgitt Sandke
- Plan von Schwetzingen (um 1840), gemeinfrei
- Blick in den Garten mit Kreisparterre. Urheber: Birgitt Sandke
- Schlafzimmer des Kurfürsten. Urheber: Birgitt Sandke