Das Deutsche Auswandererhaus dokumentiert die Auswanderung Deutscher in verschiedenen Epochen seit 1832, als das erste Schiff ablegte, bis 1974, als die Auswanderung per Schiff eingestellt wurde.
Die Gründe der Auswanderung waren ganz unterschiedlich: die Pogrome im zaristischen Russland gehörten ebenso dazu wie Depression, Inflation und Arbeitslosigkeit nach dem 1. Weltkrieg, die Verfolgungen in der Zeit der Naziherrschaft oder die „Heimatlosigkeit“ der Menschen unter den acht Millionen Befreiten aus den KZs, die als „displaced persons“ in die USA und Israel auswanderten.
In den verschiedenen Abteilungen sehen die Besucher naturgetreue Nachbildungen der Unterkünfte auf den Schiffen der verschiedenen Epochen, des Inneren der „ Immigrant inspection station“ auf Ellis Island oder eine detailgetreue Nachbildung des Grand Central Terminal in New York – dem damals größten Bahnhof der Welt – dem Tor der Einwanderer in die Neue Welt.
Das Gebäude mit einer Nutzfläche von 4200 Quadratmetern wurde am 8. August 2005 eröffnet. In einem Rundgang können die Besucher die einzelnen Stationen einer Auswanderung verfolgen und verschiedene Datenbanken kostenlos abfragen. Am Ende des Rundgangs haben die Besucher die Möglichkeit, in zwei internationalen Datenbanken nach ausgewanderten Vorfahren zu recherchieren.
Das Besondere des Museumskonzeptes sind reale Auswanderer - und Einwandererbiographien:
Der Gast personifiziert sich quasi mit seinem 2. „Ich“ (mit Hilfe des Chips auf seiner „Boarding Card“) auf dessen persönlichen Weg in eine ungewisse Zukunft, dem Abschied, den Bedingungen der Überfahrt, dem Neuanfang und dem Leben/Tod in Übersee. Gleiches gilt in umgekehrter Reihenfolge für die Einwanderung in die Bundesrepublik ab dem 24.11.1973, nachdem die Bundesregierung den Anwerbestopp für ausländische Arbeitskräfte beschloss.
Bei meinem Rundgang wanderte ich als „Carl Laemmle“ (1867-1939) aus, als „Recep Keskin“ immigrierte ich 1967 in die Bundesrepublik.
Folgen Sie mir also, schließen Sie die Augen, lassen Sie Ihrer Phantasiefreien Lauf und folgen Sie den bruchstückhaften Erinnerungen meines „alter ego - des Vaters von Hollywood“:
„... 30.11.1883: ich stelle einen Auswanderungsantrag...
28.01.1884: „Farewell!“ Heimat, Abreise nach Bremerhaven...
Februar 1884:
Ich sitze hier im Wartesaal 3. Klasse in Bremerhaven und warte auf das Ablegen meines Schiffes, des Schnelldampfers „Neckar“. Mit meinem Freund Leopold Hirschfeld plane ich ein neues Leben in der Neuen Welt, wo mein BruderJoseph bereits lebt. Ach ja, Entschuldigung, Sie kennen mich ja nicht:
Mein Name ist Carl Laemmle (eigentlich: Karl Lämmle). Ich wurde als zehntes von dreizehn Geschwistern einer jüdischen Familie im schwäbischen Laupheim am 17.01.1867 geboren....
13. Februar 1884: Wir sind in New York angekommen, mein erster Job ist der eines Laufburschen, kurze Zeit später ziehe ich nach Chicago zu meinem Bruder...
1906: ich kaufe mein 1. Kino, ein „ Nickelodeon“ (5-Cent-Kino),da Geschäft boomt, in kurzer Zeit gehören mir die Hälfte aller Kinos in Chicago....
1908: meine Firma ist die größte Film-Verleihfirma der USA!..
1912: die Independent Motion Picture Company fusioniert mit anderen Firmen zur Universal Motion Picture Manufacturing Company (heute Univeral Studios). Die Universal Motion Picture Manufacturing Company leitete ich weiter; während meiner aktiven Zeit als Firmenleiter bei den Universal Studios und der Vorgängerfirma werden über 400 Filme produziert.....
1913: ich gründe die „Universal City Studios“ in Los Angeles, zu meinen berühmtesten Produktionen gehören z.B. der Film „Im Westen nichts Neues“ oder „Das Phantom in der Oper“,
1936:die Weltwirtschaftskrise zwingt mich dazu, das Unternehmen zu verkaufen,.....“
Hier hätte ich natürlich auch die Biographie von Recep Keskin schildern können, geboren 1948 oder 1949 im Dorf Dervisli Köyü, Provinz Usak in Anatolien, eingewandert 1967 in Karlsruhe, aber darüber können Sie sich ja selbst bei einem Besuch informieren!
Denn seit dem 21. April 2012 verfügt das Deutsche Auswandererhaus über einen weiteren, neu errichteten Bau. Darin thematisiert es auch die Einwanderung nach Deutschland seit dem frühen 18. Jahrhundert. Es beginnt mit den Hugenotten, münsterländischen Wanderhändlern, Ruhrpolen, italienischen und türkischen Gastarbeitern, Russlanddeutschen bis zu Bürgerkriegsflüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien. Einen Schwerpunkt setzt es dabei auf die 1960er- und 1970er-Jahre, mit nachgebauten Geschäften, Büros und auch einem Kino, das themenbezogene Filme zeigt.
Ganz aktuell, die Geschichte der kurdischen Familie Kota aus Afrin im Nordwesten Syriens, die über die Türkei und Bulgarien schließlich nach Bremerhaven gelangte. Die persönlichen Erinnerungsobjekte sind in einer Dauerausstellung zu sehen.
Als bisher einziges Museum in Deutschland widmet sich das Deutsche Auswandererhaus somit dem Thema Migration. Es wurde am 5. Mai 2007 mit dem Preis „Europäisches Museum des Jahres“ ausgezeichnet.
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Deutsches Auswandererhaus/GermanEmigration Center
Columbusstraße 65
27568 Bremerhaven
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- Vorschaubild: Urheber PhilippN, CC-BY-SA 3.0, via wikimedia commons (Ausschnitt)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Deutsches_Auswandererhaus_Bremerhaven_09-2008.jpg?uselang=de
- Gebäude. Urheber PhilippN, CC-BY-SA 3.0, via wikimedia commons (Ausschnitt)
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Deutsches_Auswandererhaus_Bremerhaven_09-2008.jpg?uselang=de
- An der Kaje. Urheber Jürgen Howald, CC-BY-SA 2.0, via wikimedia commons
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- Kabine 3. Klasse von 1854, Jürgen Howald, CC-BY-SA 2.0, via wikimedia commons
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:AuswandererhausBremerhaven_08.jpg?uselang=de
- Galerie der 7 Millionen, Jürgen Howald, CC-BY-SA 2.0, via wikimedia commons