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Johann Winckelmann

Begründer der klassischen Archäologie und modernen Kunstwissenschaften

Klaus-Werner Haupt

Das Porträt eines außergewöhnlichen Aufklärers, dessen mysteriöser Mord bei seinen zeitgenössischen und namhaften Verehrern - wie Goethe, Herder oder Anna Amalia - einen Schock auslöste

Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn

Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn

Klaus-Werner Haupt

Ein Kunstsammler von europäischem Rang

Der Reichsgraf von Wallmoden-Gimborn gilt als bedeutender Kunstsammler des ausgehenden 18. Jahrhunderts. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) erwähnte die Sammlung in seinem Roman Die Leiden des jungen Werthers (1774), Christian Gottlob Heyne beschrieb sie in seinen Vorlesungen. Johann Gottfried Herder (1744-1803) versprach sich Inspiration für die Seele ...

Johann Ludwig von Wallmoden wurde am 27. April 1736 in Hannover geboren und offiziell als drittes Kind des Freiherrn Adam Gottlieb von Wallmoden (1704-1756) und seiner Frau Amalie Sophie Marianne, geborene von Wendt (1710-1765), in das Taufregister eingetragen. Tatsächlich war er ein leiblicher Sohn des Königs Georg II., der mit Amalie ein außereheliches Verhältnis unterhielt.

Georg II. (1683-1760) war sowohl König von Großbritannien und Irland als auch Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg (Hannover). Wie seinen Vater Georg I. (1660-1727) fühlte er sich seinem deutschen Kurfürstentum verbunden. Im Jahre 1734 gründete er in Göttingen die Universität Georgia Augusta, 1735 das Landgestüt Celle. Damals lernte Georg II. in Hannover Amalie von Wallmoden kennen und verliebte sich auf der Stelle in sie. Im folgenden Frühjahr wurde der gemeinsame Sohn Johann Ludwig geboren. Der König schenkte ihr ein Stadtpalais an der Leinstraße und ein Lusthaus auf dem Reitwall. Der Freiherr von Wallmoden erhielt eine „Abfindung" von 1.000 Dukaten.

Gemälde Ludwig von Wallmoden-Gimborn
Gemälde Ludwig von Wallmoden-Gimborn

Da die Briten wenig Verständnis für die Aufenthalte ihrer Könige auf dem Kontinent hatten, missfiel ihnen auch die Geburt eines illegitimen Kindes. Königin Caroline (1683-1737), die Tochter des Markgrafen Johann Friedrich von Brandenburg-Ansbach, galt nicht nur als schön, sondern auch als gebildet. Sie war unter der Vormundschaft von Sophie Charlotte (1668-1705), der talentierten Kurprinzessin von Brandenburg und späteren Königin in Preußen, aufgewachsen. Während der Abwesenheit Georgs II. kümmerte sich Königin Caroline als „Guardian of the Realm" um die innenpolitischen Angelegenheiten. Am 20. November 1737 verstarb sie. Auf den Rat des britischen Premierministers Robert Walpole (1676-1745) wurde Amelie von Wallmoden als offizielle Mätresse nach London geholt. Am 1. April 1739 erhob sie der König zur Gräfin von Yarmouth. Der gemeinsame Sohn Johann Ludwig wuchs unter dem Namen „Monsieur Louis" sowohl im Saint James Palast als auch im prunkvollen Kensington Palast auf.

Mit 17 Jahren kehrte der junge Graf auf den Kontinent zurück, um an der Universität Göttingen Rechts- und Staatswissenschaften zu studieren. Während des Siebenjährigen Krieges (1756-1763) machte Wallmoden im Gefolge des Herzogs Ferdinand zu Braunschweig und Lüneburg (1721-1792) Karriere und brachte es bis zum Generalmajor. Nach dem Krieg stand er 1763/64 als Erster Stuhlmeister der Freimaurerloge „Friedrich" vor.

Von 1764 bis 1766 ging Johann Ludwig von Wallmoden auf Grand Tour, die klassische Bildungsreise, nach Italien. In Rom befreundete er sich mit dem Commissario delle Antichità (Aufseher über alle Altertümer in und um Rom) Johann Joachim Winckelmann (1717-1768). Er wurde sein Cicerone und Berater in Sachen Antiken, denn Wallmoden beabsichtigte, in Hannover eine eigene Sammlung anzulegen. Winckelmann beauftragte den Restaurator Bartolomeo Cavaceppi (ca. 1716-1798) mit Ergänzungen und erteilte die notwendigen Ausfuhrlizenzen. Unter den Antiken befanden sich der sterbende Gallier, die sogenannte Knöchelspielerin, Perseus und Andromeda sowie Amor und Psyche. Noch 1767 korrespondierte Winckelmann mit Rudolf Erich Raspe (1736-1794), dem späteren Kurator am Museum Fridericianum in Kassel, der die Sammlung Wallmodens katalogisierte. In einem Brief an den Göttinger Universitätsprofessor Christian Gottlob Heyne (1729-1812) regte Winckelmann an, kunstsinnigen Nachwuchs aus dem Lande Hannover nach Rom zu senden, „die Augen ein wenig zu öffnen". Heyne selbst gründete die erste Universit&aauml;tssammlung von Abgüssen weltweit. Nach einem Aufenthalt am Golf von Neapel reiste Wallmoden nach Florenz. Der Aufenthalt in den Uffizien der Medici (offiziell eröffnet 1769) erwies sich als besonders nachhaltig für seine spätere Kunstsammlung.

Nach seiner Rückkehr heiratete Wallmoden am 18. April 1766 in Hannover Charlotte Christiane von Wangenheim (1740-1783), die Tochter des Oberhofmarschalls August Wilhelm von Wangenheim (1697-1774). Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne und drei Töchter hervor. Von 1766 bis 1786 war Wallmoden als britischer Gesandter am Wiener Hof tätig. 1781 wurde er in den Reichsgrafenstand erhoben und erwarb die westfälische Herrschaft Gimborn und Neustadt. So wie sich sein Wappen vermehrte, halbierte sich allerdings sein Vermögen 1783 verstarb seine Frau Charlotte. Fünf Jahre später heiratete Wallmoden-Gimborn die Freiin Luise Christiane von Liechtenstein (1763-1809), mit der er drei weitere Kinder hatte. Mit dem Sohn Karl August Ludwig (1792-1883) erlosch die ältere Linie (Oberhaus) Wallmoden.

das Wallmodenpalais im Georgengarten
das Wallmodenpalais im Georgengarten

Von 1780 bis 1782 entstand im hannoverschen Georgengarten das Sommerpalais des Reichsgrafen, das sogenannte Wallmodenschlösschen. Während der Wallmodensche Garten als frühes Beispiel eines englischen Landschaftsgartens in Norddeutschland gilt, erreichte die Kunstsammlung Bedeutung über die Landesgrenzen hinaus. Ihre Präsentation erfolgte im Westflügel und in der Mitte des Palais, dem der Tribuna in den Uffizien nachempfundenen Achtecksaal. Dort wurden antike Kunstwerke - die laut Winckelmann für die Ausbildung des „guten Geschmacks" unverzichtbar waren - wertvollen Gemälden der Renaissance und des Barock gegenübergestellt. 1790 wurde Wallmoden zum Ehrenmitglied der Preußischen Akademie der Künste zu Berlin gewählt.

Sphingen am Eingang zur ehemaligen Tribuna
Sphingen am Eingang zur ehemaligen Tribuna

Im Jahre 1818 wurden die Sammlungen Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborns willkürlich aufgelöst. Die 8.000 Bände umfassende Bibliothek erwarb sein Großneffe, ein Teil der Antikensammlung gelangte auf Umwegen an die Universität Göttingen. Die 550 Gemälde des Grafen wurden zerstreut, sein Palais wurde mitsamt der Skulpturen verkauft.

Letztere gelangten später in den Besitz Georgs IV. (1762-1830), König von Großbritannien und Irland sowie des Königreiches Hannover. Nach 200 Jahren - auf der Niedersächsischen Landesausstellung 2014 - konnten Teile der Wallmodenschen Sammlungen wieder zusammengeführt und im Schloss Herrenhausen der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Neben dem Sommerpalais bewohnte Wallmoden-Gimborn das Stadtpalais an der Leinstraße. Wirtschaftliche Gründe veranlassten ihn Mitte der 1880er Jahre als Oberstallmeister in den aktiven Militärdienst zurückzukehren. Ab 1793 nahm er an den Feldzügen gegen Frankreich teil. Er befehligte zunächst das in englischem Sold stehende hannoversches Auxiliarcorps (Hilfskorps) gegen Frankreich, ab 1794 die gesamte englische Armee. Im Frühjahr 1796 erhielt er als General der Kavallerie den Oberbefehl über das hannoversche Korps der Observationsarmee in Westfalen. 1799 wurde er zum Feldmarschall ernannt. Am 3. Juli 1803 sah sich Wallmoden-Gimborn gezwungen, die Kapitulation von Artlenburg zu unterzeichnen. Dies bedeutete die Auflösung der Armee und die Besetzung Hannovers durch französische Truppen. Zu den militärischen Misserfolgen kam die zunehmende Schuldenlast. In den folgenden Jahren wehrte sich der Reichsgraf mit „historischen Berichtigungen" gegen wiederholte Vorwürfe. Am 10. Oktober 1811 verstarb er verbittert in seinem Sommerpalais. Die Beisetzung erfolgte in der Familiengruft der Wallmodens in Heinde bei Hildesheim. 

***** 

 

Quellen:

( 1 ) Thomas Fröhlich: Winckelmann als Commissario delle Antichità. In: Festschrift
für Max Kunze „...die Augen ein wenig zu öffnen". Ein Blick auf die antike Kunst
von der Renaissance bis heute. Mainz-Ruhpolding 2011, S. 55-64

( 2 ) Bernhard von Poten: Die Kunstsammlung des Reichsgrafen Johann Ludwig von
Wallmoden-Gimborn. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB), Bd. 40. Verlag
von Duncker & Humblot Leipzig 1896, S. 756-761

( 3 ) Ralf Bormann: Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn. In: Als die Royals nach
Hannover kamen. Hannovers Herrscher auf Englands Thron 1714-1837. Hrsg.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Museum Schloss Herrenhausen
2014, S. 238-263

 


Abbildungen:

( 1 ) Anton von Maron: Johann Ludwig von Wallmoden-Gimborn (um 1769,
Ausschnitt). Niedersächsisches Landesmuseum Hannover

( 2 ) Gemälde Ludwig von Wallmoden-Gimborn (1769 -1862), von George Dawe (1781-1829), gemeinfrei
 

( 3 ) das Wallmodenpalais im Georgengarten (heute Wilhelm Busch - Deutsches 

Museum für Karikatur und Zeichenkunst). Foto: Klaus-W. Haupt (2014)

( 4 ) Sphingen am Eingang zur ehemaligen Tribuna. Foto: Klaus-W. Haupt (2014)

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