„Wenn man dermaleinst das Wesen des modernen Aristokratismus an einer historischen Figur werde
nachweisen wollen, so werde man immer den Fürsten Pückler als Musterbeispiel nehmen müssen.“ ( 1 )
Theodor Fontane (1819-1898)
Hermann von Pückler-Muskau wurde am 30. Oktober 1785 in Muskau/Oberlausitz geboren. Während seines kurzen Militärdienstes bei der Dresdner Elitetruppe Garde du Corps erwarb er den Ruf des „tollen Pückler“: Zum Gaudi der auf den Brühlschen Terrassen flanierenden Spaziergänger setzten Reiter und Ross übers Brückengeländer und sprangen acht Meter tief in die Elbe.
Kurz vor seinem 21. Geburtstag quittierte der Rittmeister den Dienst. Von den Tagebüchern seines Großvaters inspiriert, zog es Pückler in die Ferne. Inkognito – als Sekretär Hermann – begab er sich auf eine vierjährige Kavalierstour. In Genf schloss sich ihm der aus preußischem Militärdienst ausgeschiedene Alexander von Wulffen (1784-1861) an. Wegen geringen Budgets ging es auf Schusters Rappen durch Frankreich und von dort weiter nach Italien. In Rom trennten sich ihre Wege. 1835 widmete Pückler dem einstigen Weggefährten seine Jugend-Wanderungen – „in treuer Erinnerung vergangener Zeiten ...“
1810 kehrte Pückler in die Oberlausitz zurück, nicht ohne in Weimar dem verehrten Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) einen Besuch abgestattet zu haben. 1811 starb der Vater. Hermann von Pückler – kaum 25 Jahre alt – wurde über Nacht Baron von Groditz, Erbherr zu Branitz und Herr über die verschuldete Standesherrschaft Muskau. Im Herbst 1812 reiste der Standesherr erneut nach Weimar, Goethe befand sich zu jener Zeit gerade in Jena. Pückler fand freundliche Aufnahme im Hause der Hofrätin Johanna Schopenhauer (1766-1838) an der Esplanade (heutige Schillerstraße 10).
Im Mai 1813 gelang Napoleon Bonaparte (1769-1821) bei Bautzen ein verzweifelter Sieg gegen russische und preußische Truppen. Hermann von Pückler-Muskau wurde von den Franzosen wegen angeblicher Konspiration mit dem Feind in Haft genommen. Wieder auf freiem Fuß wandte er sich gegen Napoleon und beteiligte sich in den Reihen Alexanders I. (1777-1825), Kaiser von Russland, an der Völkerschlacht bei Leipzig. 1814 diente er als Generaladjutant des Weimarer Herzogs Carl August (1757-1828) in den Niederlanden und kurzfristig als Militärgouverneur in Brügge. Nach dem Sieg über Napoleon begleitete er die Verbündeten zur Siegesfeier nach London. Mit Orden reich dekoriert nahm Pückler seinen Abschied, blieb aber in England. Gemeinsam mit Leopold Schefer (1784-1862) – seinem Jugendfreund und jetzigen Verwalter – bereiste er bis April 1815 namhafte englische Landschaftsgärten. Die kunstvollen Schöpfungen Capability Browns (1716-1783) und das neuartige Zonierungsprinzip Humphry Reptons (1752-1818) regten an, die heimische Landschaft romantisch zu idealisieren – Schloss und Stadt in einen Park einzubetten.
Womit der Standesherr nicht gerechnet hatte: Nach dem Wiener Kongress wurden die europäischen Grenzen neu geordnet. Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach stieg zum Großherzogtum auf, das Königreich Sachsen verlor die Hälfte seines Territoriums – darunter die östliche Oberlausitz. Pückler wurde Preuße und fürchtete von den Stein-Hardenbergschen-Reformen ruiniert zu werden.
Ungeachtet dessen verkündete er am 1. Mai 1815 sein Manifest an die Muskauer Bürger und begann mit der Umsetzung seiner gärtnerischen Ideen. 1817 ehelichte er die neun Jahre ältere Lucie Reichsgräfin von Pappenheim (1776-1854), Tochter des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg (1750-1822). Mit der Heirat gewann Pückler nicht nur ein stattliches Vermögen und den ersehnten Einfluss in Berlin, in Lucie fand der Parkomane auch eine Seelenverwandte. Noch im gleichen Jahr wurde Jakob Heinrich Rehder (1790-1852) als Obergärtner eingestellt. Wenige Jahre später konnten Teile des 830 Hektar umfassenden Parks für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Demgegenüber wuchs die Schuldenlast. Daran änderte auch Pücklers Erhebung in den Fürstenstand vom Juni 1822 nichts. Die finanziellen Probleme konnten offenbar nur durch eine Geldheirat gelöst werden. Das Fürstenpaar ließ sich pro forma scheiden.
Im September 1826 begab sich Pückler erneut auf Reisen, diesmal um in England eine reiche Braut zu finden. Am 13. September erreichte er die Residenzstadt Weimar, wo er zuerst den Großherzog Carl August aufsuchte. Mit den Enkelinnen Marie (1808-1877) und Augusta (1811-1890) lernte Pückler zwei liebenswürdige Prinzessinnen kennen. Deren Eltern, der Weimarer Erbprinz Carl Friedrich (1783-1853) und die russische Großfürstin Maria Pawlowna (1786-1859), residierten im Schloss Belvedere. Nach der Tafel führte der Erbprinz seinen Gast durch den Botanischen Garten, der mit mehr als 7.900 in - und ausländischen Pflanzen zu den vielfältigsten seiner Art zählte.
Am Abend des 14. September 1826 wurde Fürst Pückler vom Geheimrat Goethe erwartet. Dazu erreichte Lucie folgender Bericht: „Er empfing mich in einer dämmernd erleuchteten Stube, deren clair obscur nicht ohne einige künstlerische Coquetterie arrangiert war. Auch nahm sich der schöne Greis mit seinem Jupiter-Antlitz gar sittlich darin aus. Er verbeugte sich höflich, und befrug mich nun über einige Dinge, die meinen früheren Aufenthalt in Weimar betrafen, sagte mir dann auch viel Gütiges über Muskau und mein dortiges Streben, mild äußernd, wie verdienstlich er es überall finde, den Schönheitssinn zu erwecken." ( 2 )
Über die Rheinprovinzen ging die Reise nach Rotterdam, von wo die Schiffspassage nach London erfolgte. Pückler fand in England zwar keine vermögende Braut, aber seine „Parkjagd“ – im Winter 1826/27 in Begleitung seines Parkinspektors Rehder – sollte reiche Früchte tragen. Anschließend bereiste Pückler Wales und Irland. Seine an Lucie adressierten und nach Rückkunft als Briefe eines Verstorbenen (1830/31) publizierten Reisebilder trafen den Nerv des Publikums. Das vierbändige Werk avancierte zum Bestseller. Goethe lobte die Briefe als „ein für Deutschlands Literatur bedeutendes Werk“ – verfasst von „einem vorzüglichen Mann, in seinen besten Jahren, in einem höheren Stande geboren, der sich offenbar mühte, Schmied seines eigenen Glücks zu sein“ ( 3 ).
Pückler hatte seine Leserschaft bereits auf weitere Reisebilder eingestimmt. Wegen eines Duells verpasste er das Dampfschiff nach Amerika. Er änderte den Kurs, im Herbst 1834 erkundete er die Gärten Südfrankreichs. Dann ging die Reise übers Mittelmeer in den Orient. Nach dem Aufenthalt in der französischen Kolonie Algerien zeigte Pücklers Kompass nach Tunesien. Mehrere Empfehlungsschreiben erlaubten dem Preußen, sich zwischen den Fronten zu bewegen. Die nach seinem zweiten Pseudonym Semilasso (1836) betitelten Reisebilder sollten den Horizont der Leser über den nordafrikanischen Kontinent erweitern.
Vor der Weiterreise nach Griechenland stand auch der Titel des nächsten Buches fest: Frei nach Goethes Gedichtsammlung West-östlicher Divan (1819 und 1827) würde es Südöstlicher Bildersaal (1840/41) heißen. Weil Griechenland im Bürgerkrieg zu versinken drohte, hatten die Schutzmächte dem Wittelsbacher Prinzen Otto (1815-1867) – Sohn des Philhellenen und bayerischen Königs Ludwig I. (1786-1868) – die Krone angetragen. Pückler traf mit Otto „einen schön gewachsenen jungen Mann von einnehmenden Zügen und gewinnendem Benehmen“, der sich ganz selbstlos europäischer Politik und dem Wohle Griechenlands opferte.
Es folgte ein luxuriöser Aufenthalt auf der osmanischen Insel Kreta, am 1. Januar 1837 erreichte Pückler Ägypten. Das riesige Land wurde von Mehemed Ali Pascha (1770-1849) regiert. Der von den Europäern „der orientalische Napoleon“, von den Osmanen „Vizekönig“ genannte Herrscher, ließ sein Reich mit abendländischer Unterstützung modernisieren. Mehemed Ali schien vorgesehen, „die Bahn zu brechen, zu einer innigeren Vereinigung des Orients und Okzidents und dadurch zu einer höheren Zivilisation beider mit starker Hand zu brechen“ ( 4 ).
Am 21. Februar 1837 ging Fürst Pückler an Bord einer Nilbarke, um dem „Vizekönig“ nach Oberägypten zu folgen. Zu seiner Begleitung gehörte nun auch der aus München stammende Generalstabsarzt der ägyptischen Flotte Dr. Max Koch. Um die lange Wasserreise etwas weniger monoton zu gestalten, erwarb Pückler in Kairo mehrere Sklaven, darunter das minderjährige abessinische (äthiopische) Mädchen Ajiamé. Er nannte das Mädchen Machbuba (arab. Mahbouba – die geliebt wird). Die achtmonatige Reise ging 1.300 Kilometer nach Süden, immer entlang der altägyptischen Monumente. Schließlich erreichte Pückler Khartum – die Grenze von Mehemed Alis Reich. Kaum ein Europäer war je soweit vorgedrungen.
Im Januar 1838 verließ der Fürst Ägypten und zog mit seiner Karawane durch den Vorderen Orient (heute Naher Osten) und Kleinasien. Während der strapaziösen Reise zeigte sich Machbuba vielseitig talentiert. Sie sorgte sich um das Wohlbefinden ihres Herrn, verwaltete dessen Kasse und wurde unverzichtbar. In Konstantinopel (seit 1930 offiziell Istanbul) – an der Nahtstelle zwischen Orient und Okzident – warf Pückler seine „Feder“ in den Bosporus, er zog symbolisch einen Schlussstrich unter seine schriftstellerische Tätigkeit. Am 8. September 1840 – nach sechsjähriger Abwesenheit – traf die Karawane in Muskau ein. Machbuba war unterwegs erkrankt, ihr Zustand verschlechterte sich zusehends. Am 27. Oktober verstarb sie an einem Lungenleiden. Auf dem Muskauer Jakobsfriedhof fand sie ihre letzte Ruhestätte.
Im Jahre 1845 verkaufte das Fürstenpaar die Standesherrschaft und zog auf das Majoratsgut Branitz bei Cottbus um. Dort entstand ein etwa 600 Hektar umfassendes Gartendenkmal, mit dem Pückler ein zweites Mal für seinen Nachruhm vorsorgte. Wie im Wörlitzer Park wurde auch hier das Nützliche mit dem Schönen verbunden.
Der Parkomane wurde auch andernorts tätig. Bereits 1843 hatte Pückler mit der Gestaltung der Rasen- und Gehölzflächen in Babelsberg, dem Sommersitz Wilhelms (1795-1861), Prinz von Preußen und präsumtiver Thronfolger, und dessen Ehefrau, der weimarischen Prinzessin Augusta, begonnen. Im September 1845 ließ ihn sein Vetter, der Hofmarschall Graf Hermann von Pückler (1797-1892), wissen: „Die Prinzessin Augusta läßt sich herzlich bedanken für all die Herrlichkeiten, die Du auf Schloß Babelsberg geschaffen hast.“ Auch Wilhelm sei mit dem Sommersitz sehr zufrieden und habe alles genehmigt. ( 5 ) Mit Blumengärten und aus Muskau herbeigeschafften großen Bäumen war der Park „wie ein Gemälde“ erlebbar geworden.
In Sichtweite des Schlosses – unweit der legendären Glienicker Brücke – befand sich der Landsitz des Prinzen Carl von Preußen (1801-1883) und seiner Ehefrau Marie, Augustas älterer Schwester. Pückler hatte dem „Beschützer und Kenner des Schönen“ sein Lehrwerk Andeutungen über Landschaftsgärtnerei (1833) gewidmet. Darin definierte er auch den englischen Begriff pleasureground: „[...] ein an das Haus stoßendes, geschmücktes und eingezäuntes Terrain, [...] ein Verbindungsglied zwischen dem Park und den eigentlichen Gärten.“ ( 6 )
Der Bruder von Marie und Augusta, der Weimarer Erbherzog Carl Alexander (1818-1901), und dessen Ehefrau Sophie (1824-1897), geborene Prinzessin der Niederlande, wollten Schloss Ettersburg erneut zu einem Ort künstlerischer Begegnungen machen. In diesem Sinne beauftragten sie den Großherzoglich-Weimarer Hofgärtner Eduard Petzold (1815-1891) mit dem Aushau des gegenüberliegenden Buchenwaldes. Weil Petzold dabei Pückler, sein einstiger Lehrmeister, zur Seite stand, ging das Unternehmen als „Pücklerschlag“ in die Geschichte ein.
https://www.klassik-stiftung.de/einrichtungen/schl...
Der Fürst war nicht nur Gartenkünstler, Schriftsteller und extravaganter Aristokrat, sondern galt auch als geistreicher Gesellschafter und Lebemann. Das eingangs verwendete Zitat Fontanes zielt vor allem auf die „kulinarische Persönlichkeit“. 1839 kreierte Louis Ferdinand Jungius, der Königlich-Preußische Mundkoch Friedrich Wilhelm III. (1770-1840), ein süßes Dessert und nannte es dem häufigen Gast zu Ehren „Gefrorenes von geschlagener Sahne mit Früchten nach Fürst Pückler" – heute besser bekannt als Pückler-Eis. Ab 1864 ließ Pückler die Speisenfolgen für das allabendliche Diner in Tafelbüchern dokumentieren.
Der Fürst verstand es bis zu seinem Tode, sich in Szene zu setzen. Für ihn war nicht wichtig, was die Leute sagten, sondern dass sie etwas über ihn sagten. Am 4. Februar 1871 verstarb er friedlich in seinem Schloss und wurde seinem Wunsch entsprechend in der Branitzer Seepyramide (Tumulus) bestattet. Hermann von Pückler-Muskau glaubte an die Wiedergeburt. Von der Landpyramide seines Parks verkündet eine Inschrift
„Gräber sind Bergspitzen einer fernen schöneren Welt."
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Anmerkungen:
( 1 ) Fontane, Theodor: Frau Jenny Treibel (1893). Deutscher Taschenbuch Verlag München 2013, S. 73
( 2 ) Arnim, Sophie Gräfin von: Goethe und Fürst Pückler. Verlag von Zahn & Jaensch Nachf. Dresden 1932,
S. 8-9
( 3 ) Ebenda, S. 23
( 4 ) Pückler-Muskau, Hermann von: Aus Mehemed Alis Reich. Ägypten und der Sudan um 1840. Manesse
Verlag Zürich 1985, S. 118
( 5 ) zitiert nach Rippl, Helmut: Pücklers Parkanlagen in Babelsberg. In: Hermann Ludwig Heinrich Fürst von
Pückler. Gartenkunst und Denkmalpflege. Hermann Böhlaus Nachfolger Weimar 1989, S. 110
( 6 ) Pückler-Muskau, Hermann Fürst von: Andeutungen über Landschaftgärtnerei. Verbunden mit einer
Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau. Marix Verlag Wiesbaden 2010, S. 40
Abbildungsnachweis:
( 1 ) G. F. L. Jacquemot, Pückler um 1838. Stiftung Pückler-Museum Park und Schloss Branitz
( 2 ) J. K. Stieler, Johann Wolfgang von Goethe (1828). Bayerische Staatsgemäldesammlungen München
( 3 ) Unbekannter Künstler, Machbuba um 1840. Stiftung Pückler-Museum Park und Schloss Branitz
( 4 ) Ägyptische Treppe und Seepyramide im Park Branitz. Foto: Haupt (2015)