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Luther im Himmel

Das jünste Gericht

Christoph Werner

Der große Reformator steht vor dem jüngsten Gericht; er ist angeklagt, auf Erden wahrhaft unchristlich gehandelt zu haben, da er Hexen, Juden und andere Gegner zu ersäufen oder zu pfählen empfahl. Nun muss er sich vor Gott rechtfertigen, warum er gegen das biblische Gebot der Nächstenliebe verstoßen habe.

Reinhard Mey

Reinhard Mey

Florian Russi

Liedermacher, Minnesänger

Er „wollte wie Orpheus singen, dem es einst gelang, Felsen selbst zum Weinen zu bringen mit seinem Gesang", so heißt es in einem der bekanntesten Lieder von Reinhard Mey. Seine Karriere begann in Frankreich, damals nannte er sich noch Frédéric, den Namen Reinhard auszusprechen, hätte den Franzosen Schwierigkeiten bereitet. Er sang und singt Chansons, das heißt Lieder und bedeutet poetische Texte mit darauf abgestimmten Melodien.
Reinhard Mey beim Konzert in Hamburg 1974
Reinhard Mey beim Konzert in Hamburg 1974

Der am 21. Dezember 1942 in Berlin als Sohn eines Rechtsanwalts und einer Kunstgewerbelehrerin geborene Reinhard Mey ist ein moderner Minnesänger. Wie diese im Mittelalter, so singt er heute von Liebe und Ereignissen des menschlichen Daseins. Seine Lieder sind eingängig, aber nicht einschmeichelnd. Manchmal musste ich sie zwei- oder dreimal hören, bis sie mir dann umso mehr gefielen. Die Texte sind voller Menschlichkeit, häufig verständnisvoll, persönlich, ansprechend und einprägsam. Sein „Wie vor Jahr und Tag" gehört zu den schönsten Liebensliedern, die ich kenne, und „Herbstgewitter über Dächern" steht ihm kaum nach. Mit „Über den Wolken" hat er ein Meisterwerk des Selbstgefühls und der Freiheitsliebe geschaffen. „Schade, dass du gehen musst" ist ein höchst poetischer Ausdruck von Freundschaft und Trauer. Mit der „Schlacht am kalten Buffet" und der „Diplomatenjagd" hat er menschliche Schwächen treffend aufs Korn genommen und leidenschaftlichen Krimilesern hat er mit „Der Mörder ist immer der Gärtner" - und „manchmal der Klempner" die Lese-Spannung erträglich gemacht.

Es fällt sehr schwer, unter den vielen Chansons eine Rangfolge herzustellen. Wenn ich selbst noch eines besonders herausstellen darf, so ist es „Charlotte", das von einer verständnisvollen und couragierten Lehrerin handelt. Im Übrigen wird die Bewertung der Lieder immer auch von der jeweiligen Erlebniswelt und der Stimmungslage des Zuhörens abhängen, denn Reinhard Mey befasst sich mit den Ereignissen des Lebens und Alltags. Worüber andere reden, darüber singt er. Die meisten seiner Texte sind höchst poetisch, wenn es zum Beispiel heißt: „Hast du mal bedacht, was dein Fortgehn uns mein Freund, für einen Kummer macht" oder „Ich trag den Staub von deinen Straßen an meinen Schuhen heute noch mit mir herum" und „Bunte Bänder und Girlanden, Sonne nach durchzechter Nacht, Neonlicht im Morgennebel, kurz bevor die Stadt erwacht." Ein kritischer Vergleich mit meiner Sammlung lyrischer Literatur zeigt mir: da ist einer, der kann es ebenso gut wie die ganz Großen.

In seinem biographischen Buch „Was ich noch zu sagen hätte" und in mehreren Interviews hat Mey die große Toleranz hervorgehoben, die seine Eltern ihm gegenüber an den Tag gelegt hätten. Toleranz, das heißt die Bereitschaft, andere Meinungen und Lebensweisen zu akzeptieren oder zu dulden, kennzeichnet auch das Leben Reinhard Meys mit seiner Frau Hella, den Söhnen Frederik und Maximilian, Tochter Victoria Luise und - seit Januar 2012 - Enkel Jurij.

Wer den Lebenslauf des großen Barden kennenlernen will, muss seine Lieder hören. Dann erfährt er sehr vieles über Reinhard Mey, seine Frauen, Kinder, Freunde, seine Schulerfahrungen, Vorlieben und Hobbies, seine Gedanken über Leben und Tod, seine Verbundenheit mit Berlin und darüber, wie er seinen ins Wachkoma gefallenen zweiten Sohn „bdquo;in die Welt zurücklieben" will (Drachenblut). Er selbst sagt, dass seine Lieder die Chronik seines Lebens, seine Ängste, sein Tagebuch darstellen.

Er ist nie auf einer Welle mitgeschwommen, hat Kontakte und Freundschaften zu andern Künstlern gepflegt, es jedoch abgelehnt „in einen Verein einzutreten". Lieber stellte er sich „gegen den Wind", als sich anzupassen.

Meys Aufstieg in Deutschland begann 1964 mit seinem Auftritt beim Festival Chanson Folklore International auf Burg Waldeck im Hunsrück. Die Burg war damals ein Treffpunkt für junge Musiker, Poeten und Sprachkünstler, von denen einige später hohe Anerkennung fanden. Mehr als 370 Lieder hat Reinhard Mey getextet, komponiert und gesungen. Zwar verweigern ihm bis heute die Felsen ihre Tränen, dafür erfreut sein Gesang ein dankbares und treues Publikum.

 

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Fotos: Reinhard Mey Live in Hamburg, 1974, Urheber Heinrich Klaffs, CC By-SA 2.0 via Wikimedia Commons

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