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Arndt von Bohlen und Halbach

Arndt von Bohlen und Halbach

Uta Plisch

Der Krupp, der auf sein Erbe verzichtete

Arndt von Bohlen und Halbach ist das einzige Kind von Alfried und Anneliese Krupp. Er kommt am 24. Januar 1938 kurz nach der Heirat seines Vaters mit der geschiedenen Anneliese Lampert geb. Bahr zur Welt. Sie nennen ihren Sohn hoffnungsvoll Arndt. So hieß der Urahn, der im 16. Jahrhundert aus den Niederlanden nach Essen einwanderte.
Villa Hügel (2013)
Villa Hügel (2013)

Als Alfried mit seiner Frau in der Villa Hügel eintrifft, wird Anneliese mit äußerster Kälte empfangen. Bertha soll außer sich gewesen sein über die Wahl ihres Ältesten. Sie droht ihm mit Enterbung und erzwingt dadurch die Scheidung der beiden. Damit setzt sie eine unheilvolle Spirale in Gang.

Anneliese, tief verletzt und voller Rachegedanken, setzt alles daran, ihren Sohn dem Vater zu entfremden. Alfried hat zu diesem Zeitpunkt eine Menge anderer Sorgen und Probleme: 1939 bricht der Zweite Weltkrieg aus, 1943 übernimmt er die Firma. Nach Ende des Krieges wird er an Stelle seines dementen Vaters als Kriegsverbrecher angeklagt und zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. So kommt es, dass Arndt seinen Vater als kleiner Junge gelegentlich im Landsberger Gefängnis besuchen muss, schon für einen Erwachsenen ein verstörendes Erlebnis.

Arndt gilt als sensibel und scheu, völlig der dominanten Mutter ausgeliefert, die ihn mit ihren größenwahnsinnigen Fantasien an sich bindet. Ihr Credo an ihren kleinen Sohn ist: „Ein Krupp zu sein, das ist etwas ganz Furchtbares!" Durch die räumliche Trennung von Essen entkommt er dem enormen Druck, dem die Erstgeborenen vor ihm ausgesetzt waren: erfolgreich ein Riesenunternehmen zu leiten und Verantwortung zu verinnerlichen für viele tausende Menschen.

Trotzdem wird Arndt als künftiger Erbe des Krupp-Unternehmens erzogen, allerdings weit weg vom Einfluss der Villa Hügel. Er besucht Internate in Bayern und der Schweiz. 1958 macht er Abitur und studiert danach in Freiburg und München Betriebswirtschaft und Jura, zwar lustlos, aber mit guten Ergebnissen. Außerdem durchläuft er mehrere Praktika in verschiedenen Unternehmensbereichen als Vorbereitung auf sein Erbe.

Viel lieber hätte er die Schauspielschule besucht und Kunst studiert. Diana Maria Friz, seine Cousine, ist der Überzeugung, dass aus ihm ein Karl Lagerfeld geworden wäre, hätte man ihn nur gelassen. Doch zu jener Zeit beugt er sich noch der Familientradition in der Hoffnung, so seinem Vater näher zu kommen. 

Besuch des Staatspräsidenten von Togo bei der Firma Krupp, Villa Hügel 1961, links: Arndt von Bohlen und Halbach.
Besuch des Staatspräsidenten von Togo bei der Firma Krupp, Villa Hügel 1961, links: Arndt von Bohlen und Halbach.

Alfried sieht früh ein, dass Arndt weder das Interesse noch die Fähigkeiten hat, das Unternehmen in der nächsten Generation zu leiten. Diese Einsicht bereitet ihm Kopfzerbrechen, denn die Firma Krupp ist auf den Eigentümer ausgerichtet. Führt der das Unternehmen schlecht, bedeutet dies das Ende von Krupp. Auch die zu zahlende Erbschaftssteuer belastet ihn schwer. Aber kann er das Schicksal von 100.000 Mitarbeitern und mit ihnen die Zukunft eines Weltunternehmens in die Hände von Arndt legen, der lieber sein Leben genießt, als hart zu arbeiten?

Alfried und sein Sohn schaffen es nicht, ein emotionales Verhältnis aufzubauen. Arndt erfüllt seine Pflicht bei Empfängen und Ehrungen in der Villa Hügel, aber sie werden nicht warm miteinander. Verwunderlich ist das nicht, ist doch Alfried selbst ein sehr verschlossener, in sich gekehrter Mensch. Hier kommt nun Berthold Beitz ins Spiel, seit 1953 der Generalbevollmächtigte von Alfried. Er ist das völlige Gegenteil von ihm, offen, verständnisvoll, sympathisch, und er wird zum Ersatzvater von Arndt, der ihm vertraut und ihn als Freund sieht. In langen Gesprächen überredet Berthold Beitz Arndt 1966 zum Verzicht auf sein Milliardenerbe und rettet damit das Unternehmen.

Für viele besteht Arndts größter Beitrag für die Firma Krupp in diesem Verzicht, der es erst ermöglicht, die „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung" zu gründen. Glücklich hat es Arndt nicht gemacht.

Arndt erhält pro Jahr 2 Millionen DM, außerdem das Familien-Jagdschloss in der Nähe von Salzburg (1916 nach dem Tod des österreichischen Kronprinzen von der Familie Krupp gekauft), eine Luxusvilla in Marrakesch, ein Stadtpalais in München und eine Villa in Palm Beach. Man könnte nun meinen, das ist viel Geld, aber er hat keine Schwierigkeiten, es unters Volk zu bringen, ganz im Gegenteil, Berthold Beitz muss ihn häufig retten, wenn er seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann.

Alfried dankt seinem Sohn öffentlich für sein verantwortungsvolles Handeln, das gerade noch zur rechten Zeit kommt, da er schwer erkrankt ist. Er kann nun die „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung" als alleinige Eigentümerin gründen und sichert damit die Zukunft der Firma Krupp. Alle Gewinne aus der Stiftung sollen ausdrücklich für gemeinnützige Zwecke verwendet werden. Die Grundidee war, dass „die Firma sich gleichsam selbst gehören sollte" (Lothar Gall, Historiker), Vorsitzender der Stiftung wird Berthold Beitz.

Der letzte Vertreter der Dynastie Krupp stirbt am 30. Juli 1967, plötzlich und allein, so wie seine drei Vorgänger vor ihm.

Nun gilt Arndt als reichster Frührentner Deutschlands. Er stürzt sich in ein ausschweifendes Leben, bekennt sich offen zu seiner Homosexualität, füllt die Klatschspalten der einschlägigen Zeitschriften mit seinen Extravaganzen und wird zu einer Galionsfigur des Jet-Sets der Siebziger Jahre. In der Öffentlichkeit tritt er geschminkt und mit Schmuck behangen auf, er hätte sich sonst nackt gefühlt.

Arndt ist ein Getriebener, der nirgendwo Ruhe findet. Er pendelt zwischen seinem Palais in München-Schwabing, seiner Villa in Palm Beach, dem Märchenpalast in Marokko und Schloss Blühnbach bei Salzburg, überall sich inszenierend. Häufig schlüpft er in die Königsrolle, eine goldene, mit Edelsteinen verzierte Krone auf dem Haupt, und verteilt Medaillen an die Anwesenden.

Er pflegt Umgang mit den Berühmtheiten seiner Zeit, Prinzessin Soraya, Yves St. Laurent, Jean-Paul Belmondo, die Rolling Stones etc., dazu gesellen sich die Schnorrer, die hoffen, etwas von seinem Reichtum zu ergattern, und nicht zuletzt seine zahlreichen Liebhaber. Arndt ist großzügig zu seinen Freunden, fühlt er sich aber ausgenutzt, kann sich das schnell ins Gegenteil verkehren.

In der Villa Krupp lernt Arndt 1961 das thailändische Königspaar Bumiphol und Sirikit kennen und schätzen. Er besucht sie häufig in Thailand und ist fasziniert von den grazilen und schönen Jünglingen, die ihn anbeten. Doch er sucht dort nicht nur sein Vergnügen, er sieht auch das Leid der Bevölkerung. Arndt unterstützt den Bau von Schulen, Altenheimen und einer Leprastation. Noch heute gilt er in Thailand als Volksheld.

Jagdschloss Blühnbach
Jagdschloss Blühnbach

1969 heiratet Arndt Henriette Prinzessin von Auersperg. Sie stammt aus verarmtem österreichischem Uradel. Die beiden lernen sich zufällig in München kennen, wo sie sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt. Als sie ihn bittet, ihr bei der Jobsuche zu helfen, macht er ihr einen Heiratsantrag. Sie macht sich keine Illusionen, sie weiß, dass es eine Zweckehe werden wird, aber ganz sicher keine langweilige. Er schätzt sie, sie ist humorvoll, intelligent, schlagfertig und selbstironisch. In Briefen an sie versichert er ihr seine Liebe und Zuneigung. Sie ist sein ruhender Gegenpol. Aber im Endeffekt schafft sie es nicht, ihn vor sich und seinen inneren Dämonen zu bewahren.

Die beiden heiraten auf Schloss Blühnbach nahe Salzburg. Zukünftig wird Henriette das Jagdschloss, welches sie liebt, bewirtschaften, keine einfache Aufgabe bei 72 Zimmern und den vielen Gästen, die sich die Klinke in die Hand geben. Wenn Arndt dort weilt, muss um ihn herum das Leben toben, es lenkt ihn ab von der inneren Einsamkeit.

Im Anhang befindet sich der Link zu einem Interview, den ein Reporter der Welt 2012 mit Henriette von Bohlen und Halbach im Märchenpalast in Marokko geführt hat. Es ist sehr amüsant zu lesen und vermittelt dem Leser etwas von der Atmosphäre der wilden Siebziger Jahre. Darin beschreibt sie auch die Katastrophe, die hereinbricht, als das Finanzamt plötzlich die Einkommenssteuer verlangt, die Arndt nie bezahlt hat. Er dachte, dass die 2 Millionen Mark bereits von der Stiftung versteuert worden wären. Er muss sich deshalb von einigen Ländereien, Häusern und Gemälden trennen, um die Steuerschulden bezahlen zu können.

Besessen von der Vorstellung, seinem eigenen Schönheitsideal entsprechen zu müssen, unterzieht er sich trotz ärztlicher Warnungen zahlreichen riskanten Schönheitsoperationen. Er stirbt am 8. Mai 1986 mit 48 Jahren an Mundbodenkrebs. Noch auf dem Sterbebett ist seine große Sorge, ob sein künstliches Kinn halten würde. Auch das weitere Schicksal seines thailändischen Geliebten Joy beschäftigt ihn sehr.

Von seinen Freunden nimmt er ein paar Monate vor seinem Tod auf dem Familienschloss Abschied. Arndt war bereits 1982 in Manila katholisch geworden, ein weiterer Tiefschlag für die Krupps, die erzprotestantisch sind. Arndt Krupp, der Urahn der Krupps und Calvinist, hatte wegen seines Glaubens die Niederlande verlassen, um nicht katholisch werden zu müssen. Arndt Junior  lässt sich mit großem Pomp, so wie er es liebte, zum „Ritter des Ordens vom Heiligen Kreuz zu Jerusalem" schlagen. Dies war der Dank der Kirche für eine Spende an die katholischen Flüchtlinge im libanesischen Bürgerkrieg.

Zum Abschied fragt er seine Freunde: Werden die Menschen mich in Erinnerung behalten? Auch heute, fast 30 Jahre nach seinem Tod, ist er nicht vergessen.

Arndt von Bohlen und Halbach wird in der Gruft der Schlosskapelle von Schloss Blühnbach beigesetzt. Der US-amerikanische Industrielle Frederick R. Koch von Koch Industries kauft das Schloss 1988/89. Er hat es bis heute in seinem Besitz, hermetisch abgeriegelt von der Außenwelt.

Annelise von Bohlen und Halbach überlebt ihren Sohn um 10 Jahre.
Die Bohlen-und-Halbach-Stiftung hat Arndt bis zu seinem Lebensende insgesamt 38 Mio Mark gezahlt. Man könnte sagen, sie ist dabei gut weggekommen.

 

*****

Anhang:

- Link zu einem Interview der Welt mit Henriette von Bohlen und Halbach von 2012: www.welt.de/vermischtes/article108554206/Die-Koenigin-des-wilden-70er-Jahre-Jet-Set.html

- Link zu einem interessanten Artikel anlässlich der Beerdigung von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46369504.html

Bildnachweise:
- Vorschaubild: Porträt Arndt von Bohlen-und-Halbach. Stadt Essen
- Villa Hügel (2013). Foto: Florian Russi
- Staatspräsident von Togo, Olympio, zu Besuch bei der Firma Krupp, Essen, Villa Hügel, 1961, ganz links: Arndt von Bohlen und Halbach. Bundesarchiv, B 145 Bild-F010290-0005 / CC-BY-SA. via Wikimedia Commons
- Jagdschloss Blühnbach. Urheber: Thorsten Cramer, CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

 

 

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