Alfried, geboren 1907, war der älteste Sohn von Bertha und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Er wuchs mit seinen Geschwistern in der Villa Hügel auf und lernte schon früh, was es bedeutet, ein Krupp zu sein. Für seine Mutter bedeutete es, dass die Firma in ihrem Leben an erster Stelle zu stehen hatte, bedeutete Ehre und Pflichtgefühl, Disziplin, Bescheidenheit und Gehorsam. Und diese Werte musste Alfried verinnerlichen. Der Tagesablauf war streng geregelt, sogar die Besuchszeiten bei den Eltern.
Alfried war ein schüchterner Junge, der sich zu einem stillen und verschlossenen Mann entwickelte, immer bemüht, sich von dieser Verantwortung nicht erdrücken zu lassen und seine Unabhängigkeit zu bewahren. Man kann sich vorstellen, wie verletzt und entsetzt seine Mutter war, als er 1937 eine geschiedene Frau heiratete, Anneliese Lampert geb. Bahr (1909-1998). Sie hatten zusammen einen Sohn, Arndt von Bohlen und Halbach. Auf Druck der Eltern ließ sich Alfried 1941 scheiden. Hätte er nicht nachgegeben, hätten sie die Erbfolge ändern lassen.
Die nachteilige Folge dieser Erpressung war, dass die enttäuschte, von der Familie vertriebene Anneliese alles versuchte, dem Vater den Sohn zu entfremden. Der Kontakt beschränkte sich auf das Allernotwendigste. Und so wuchs Arndt ohne die Bürde Krupp auf.
Alfried Krupp war ein begeisterter und talentierter Fotograf. Am liebsten sah er die Welt durch den Sucher seiner Leica. Von seinen vielen Reisen brachte er ganze Sammlungen von Bildern mit, die er anschließend an seine Freunde verschickte. Seine Lieblingsmotive waren Landschaften. Mit seinem Urahn Alfred teilte er dieses Hobby.
Sein zweites Hobby war der Segelsport, den er allerdings meisterlich betrieb. 1936 gewann er mit seiner Crew in der 8-m-R-Klasse eine olympische Bronzemedaille.
Alfried studierte Ingenieurswissenschaften in München, Berlin und Aachen und schloss 1934 an der Technischen Hochschule Aachen sein Studium mit dem Titel Diplomingenieur ab. In die Firma trat er ein Jahr später ein, zuerst in der Hauptverwaltung, später wechselte er in die Abteilung für Rüstungsproduktion und Artilleriekonstruktion. 1938 übernahm er die Leitung der Rohstoff- und Rüstungsabteilung. Ab 1941 war er Mitglied im Vorstand der Krupp AG. 1943 trat er dann die Nachfolge seines Vaters an.
Im Dritten Reich wurde die Firma zu Hitlers wichtigstem Waffenlieferanten. Hitler war häufig auf Besuch in der Villa Hügel. Die Eltern Alfrieds veranlassten ihn, die sog. Lex Krupp zu erlassen. Sie besagte, dass die Krupp AG in ein Einzelunternehmen umgewandelt und dessen Alleininhaber ein Familienmitglied werden sollte mit dem Recht, den Namen Krupp im jeweiligen Familiennamen zu führen, analog dem kaiserlichen Dekret. Durch diese Lex Krupp wurde dem Unternehmen die Erbschaftssteuer erspart. Die Änderung im Standesamtsregister Essen-Bredeney erfolgte am 17. Juni 1944, und erst danach durfte Alfried den Namen Krupp führen.Alfried hatte eine Vielzahl von offiziellen Funktionen inne, er war seit 1931 förderndes Mitglied der SS, Mitglied des Nationalsozialistischen Fliegerkorps, Mitglied der NSDAP seit 1938, Mitglied des Rüstungsrats beim Reichminister für Rüstung und Kriegsproduktion, um einige seiner Tätigkeiten hier zu nennen.
Die Familie Krupp zahlte schmerzlichen Tribut im Zweiten Weltkrieg, zwei Söhne fielen an der Front, einer geriet in Kriegsgefangenschaft.
Nach Kriegsende wurde Alfried von den Alliierten zur Rechenschaft gezogen, da sein Vater bereits an schwerer Demenz litt und so dem Kriegsgericht nicht mehr zur Verfügung stand. Er wurde als Kriegsverbrecher zu 12 Jahren Haft verurteilt wegen „systematischer Plünderung" besetzter Gebiete und „menschenunwürdiger Behandlung" ausländischer Zivilarbeiter und Kriegsgefangener" und verlor sein gesamtes Vermögen. 1951 wurde er von John Jay McCloy, dem US-Hochkommissar für Deutschland, begnadigt, sein Vermögen erhielt er zurück.
Über das Kapitel der Zwangsarbeiter bei Krupp während des Zweiten Weltkriegs wird getrennt in einem weiteren Beitrag berichtet werden.
Alfried begann zusammen mit Bertold Beitz (1913-2013), seinem neuen Generalbevollmächtigten, mit dem Wiederaufbau der Firma. Der Konzern lag danieder, Kriegszerstörungen, Demontagen, Enteignungen und dergleichen mehr zwangen zu einem völligen Neuanfang.
Es entstand ein neues, auf Kohle und Stahl basierendes Unternehmen. Sein Schwerpunkt lag in der Stahlverarbeitung und dem Bau von Industrieanlagen weltweit. Berthold Beitz orientierte sich nach Osten, während Alfried in die Schwellenländer reiste, nach Asien, Afrika, und Südamerika, wo er neue Geschäftsverbindungen einwarb. So war der Konzern zum Ende der 1950er Jahre das Unternehmen mit dem höchsten Umsatz in Deutschland.
Die zweite Hälfte der 60er Jahre war gekennzeichnet durch eine allgemeine weltweite Rezession. Alfried erkannte die Zeichen der Zeit. 1967 beschloss er, „die Firma über eine Stiftung, die Ausdruck der dem Gemeinwohl verpflichteten Tradition des Hauses Krupp sein soll, in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln". Er hoffte, damit das Unternehmen dauerhaft zu sichern. Nach dem Willen des Stifters hat diese Stiftung die Aufgabe, die ihr aus der Unternehmensbeteiligung zufließenden Erträge ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Im Jahr 2008 war die Stiftung mit 25,1% der Anteile größter Einzelaktionär der ThyssenKrupp AG.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach litt an Lungenkrebs. Er starb 1967, noch im Jahr der Stiftungssgründung, und hinterließ ihr sein gesamtes Erbe. All dies wurde möglich durch den Verzicht des Sohnes Arndt von Bohlen und Halbach auf das Erbe. Dadurch war er nicht mehr befugt, den Namen Krupp zu tragen. Dies war das Ende der Stahldynastie Krupp.
- Vorschaubild „Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (1960), © ThyssenKrupp AG
- Foto: Villa Hügel, Florian Russi (2013)
- Zerstörtes Fabrikgebäude für Rüstungsproduktion der Firma Krupp in Essen. Royal Air Force Bomber Command, 1942-1945. Foto CL 2383 aus der Sammluing des Imperial War Museums. Lizenz: frei für nichtkommerzielle Zwecke.
- Alfried Krupp (ganz links) während des Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozesses. Bundesarchiv, Bild 183-R93432. Lizenz CC-BY-SA.
- Ausschnitt (bearb.) aus einem Bild vom Besuch des Staatspräsidenten bei der Firma Krupp, Essen, Villa Hügel. Foto: Bundesarchiv, B 145 Bild-F010290-0005, Lizenz CC-BY-SA
- Alfried Krupp von Bohlen und Halbach mit Lehrlingen in der Radsatzwerkstatt Essen - 1961. Foto: Historisches Archiv Krupp