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Das Industriedenkmal hat eine Erfolgsgeschichte geschrieben. Die ehemalige Fabrik ist in dem Zusammenspiel von Bürgerinitiative, Denkmalschutz, Volkshochschule und einem preisgekrönten Architekten zu einem modernen Haus für Erwachsenenbildung geworden. Mit diesem Buch liegt eine historische Dokumentation vor, die mit aktuellen wissenschaftlichen Bezügen einen Beitrag zur Erschließung und Öffnung von Räumen für Bildungswecke leistet.

Das Leben des Johann Gottfried Herder

Das Leben des Johann Gottfried Herder

Hermann Multhaupt

Johann Gottfried Herder war ein gelehrter, gerader, aber auch strenger Vertreter der evangelischen Kirche. Sein guter Ruf als Dichter, Philosoph, Theologe und Übersetzer eilte den ihm vielfach angebotenen Positionen voraus, und große Erwartungen wurden mit seiner Person verknüpft. Doch er selbst war mit sich oft uneins und unzufrieden. Seine Reformvorschläge und Ansichten wurden nicht von allen geteilt, riefen Widerstand hervor und isolierten ihn. Darunter litt schließlich auch seine Freundschaft mit Goethe.

 

Die Anfänge

Geboren wurde er am 25. August 1744 als Sohn des Kantors und Schullehrers Gottfried Herder und dessen zweiter Ehefrau Anne Elisabeth in Mohrungen (Ostpreußen). Das pietistische Elternhaus prägte seine ersten Lebensjahre. Die Liebe zu Gesangbuch und Bibel begleitete seine Kindheit. So stand es eigentlich von früh an fest, dass er Theologie studieren würde. Zunächst besuchte Johann Gottfried die Stadtschule des strengen Rektors Grimm, der ihn in die Geheimnisse der lateinischen und teilweise auch griechischen und hebräischen Grammatik einführte, während der milde Pfarrer Willamovius ihn auf die Konfirmation vorbereitete.
Eine Tränenfistel am rechten Auge machte dem Jungen zu schaffen und ließ den lern- und lese begeisterten jungen Mann Ausschau nach einem anderen Beruf halten. Der Diakon S. F. Trescho, der schöngeistige, pietistisch-erbauliche Schriften herausgab, nahm ihn ab 1760 als Kopist zu sich. Der einzige Vorteil bestand in der Nutzung der umfangreichen Bibliothek des Arbeitgebers. Mit seinem „Gesang an den Cyrus“ erntete Herder einen ersten literarischen Achtungserfolg.

Universität in Königsberg
Universität in Königsberg

Im Sommer 1762 ging er auf Betreiben des russischen Regimentsarztes J. C. Schwarz-Erla oder Schwarzerloh nach Königsberg, um Chirurg zu werden und später in St. Petersburg sein Glück zu machen. Herder hielt sich für den ihm mehr angedienten denn von ihm angestrebten Beruf für wenig geeignet, und so schrieb er sich in Königsberg als Student der Theologie ein, fand in dem Buchhändler Johann Jakob Kanter einen Gönner, der nicht nur seine ersten literarischen Versuche schätzte, sondern ihm auch eine Stellung als Hilfslehrer verschaffte. Von seinen Lehrern faszinierte ihn der noch jugendliche Emanuel Kant – bei dem er Vorlesungen über Astronomie, Logik, Metaphysik, Moralphilosophie und Mathematik hörte – auch Johann Georg Hamann übte einen bleibenden Einfluss auf ihn aus, denn er erschloss ihm die Werke Shakespeares und Ossians. Auch die Schriften Jean-Jaques Rousseaus las Herder mit Begeisterung. Seine eigenen schriftstellerischen Versuche beschränkten sich zunächst auf Gedichte und Rezensionen, die er in Kanters „Königsbergischer Zeitung“ veröffentlichte.

Der junge Herder
Der junge Herder

In Riga

Im Herbst 1764 ging er als Aushilfslehrer an die Domschule der aufstrebenden Stadt Riga. Die Jahre hier waren prägend für den Prediger und Schriftsteller, der sich mit großen Plänen trug. Herder, der bald auch der Freimaurerloge „Zum Schwert“ angehörte, fand Freunde und Förderer sowie Möglichkeiten für die Veröffentlichung seiner ersten großen Werke. So publizierte er bei Johann Friedrich Hartknoch in Riga seine drei Sammlungen von Fragmenten über die neuere deutsche Literatur. Bedeutende Zeitgenossen, wie Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Friedrich Nicolai, mit dem er später wegen unterschiedlicher Ansichten über literarische Strömungen in Konflikt geriet, standen mit ihm in Kontakt.

Herder fing vieles an, sein sprühender Geist gebar immer wieder neue Ideen, doch es fiel ihm schwer, eine Sache zu Ende zu führen, ohne sie durch neue Einfälle wieder zu gefährden. So geriet er mit dem Hallenser Professor Christian Adolph Klotz in einen offenen Disput, bekannte sich auch nicht als Autor einer Schmähschrift, kritisierte ferner die nach seiner Meinung orthodoxe Einstellung der Theologie sowie die Reserviertheit, mit der man seinen reformerischen Schulplänen begegnete. Kurz: Schließlich war er in Riga so zerstritten, dass er am 23. Mai 1769 den Abschied nahm, obgleich ihm wichtige Ämter in Aussicht gestellt worden waren.

Auf Reisen

Per Schiff reiste Johann Gottfried Herder in Begleitung seines Freundes Gustav Berens nach Frankreich, wo er die Stadt der Künste besichtigte und in Kontakt zu den Enzyklopädisten und Akademikern trat. Dort erreichte ihn die Berufung zum Reiseprediger des Erbprinzen von Holstein-Gottorp (1754–1823) an den fürstbischöflich-lübischen Hof zu Eutin. Auf der Reise dorthin lernte er in Hamburg u. a. Gotthold Ephraim Lessing und Matthias Claudius kennen.

Im Juli 1770 begab sich Herder im Gefolge des Prinzen Peter Friedrich Wilhelm auf Bildungsreise, die ihn zunächst über Hannover, Göttingen und Kassel nach Hanau und Darmstadt führte. Hier mit dem geheimen Kriegsrat Johann Heinrich Merck bekannt geworden, der seine literarischen Ansichten teilte, folgte er diesem in das Haus des Geheimrates Hesse; dessen dort anwesende Schwägerin Maria Karoline Flachsland wurde 1773 Herders Ehefrau.

In Straßburg trifft Herder auf den jungen Goethe.
In Straßburg trifft Herder auf den jungen Goethe.

Als Herder dem Prinzen über Mannheim nach Straßburg folgte, traf er dort mit dem fünf Jahre jüngeren Johann Wolfgang Goethe zusammen, der zum Leidwesen seines Vaters das Studium der Jurisprudenz ohne den erwünschten Doktorgrad abschloss. Goethe verdankt Herder manche Anregung, so die Bekanntschaft mit den Werken Homers, Pindars, Ossians, Shakespeares und Hamanns. Herder war meist auch der Gesprächsführer in manchen Begegnungen der beiden Autoren, zu denen sich gelegentlich auch Jung-Stilling gesellte. Schon damals fiel Goethe neben dem blitzenden, von Einfällen strotzenden Geist seines Gesprächspartners auch dessen Hang zu Spott und Hohn auf, Eigenschaften, die später zu Herders Vereinsamung beitrugen.

Ende April 1771 trat Herder die Stelle als Hauptprediger und Konsistorialrat in der kleinen Residenzstadt Bückeburg (Niedersachsen) an. Dort ereilte ihn fünf Jahre später die Berufung zum Generalsuperintendent in Weimar. Goethe hatte vermittelt.

 

Weimar

„Ich bin hier allgemein beliebt, bei Hofe, Volk und Großen, der Beifall geht ins Überspannte. Ich lebe im Strudel meiner Geschäfte einsam und zurückgezogener, als ich in Bückeburg nur je gelebt habe“, notierte Johann Gottfried Herder nach seiner Übersiedlung in die Musenstadt, auch wenn ihn ihre bürgerliche Enge manchmal bedrückte. Seine literarische Schaffenskraft erreichte hier ihren Höhepunkt. Mehrere seiner Arbeiten wurden ausgezeichnet und fanden allgemeine Anerkennung. Die Freundschaft mit Goethe trug zum geistigen Aufbruch bei, auch wenn die körperliche Gesundheit oft zu wünschen übrig ließ; Herder suchte auf Badereisen Linderung.

Herder in reiferen Jahren in Weimar.
Herder in reiferen Jahren in Weimar.

1783 lernte er Klopstock in Hamburg kennen, er suchte Matthias Claudius auf, hatte Kontakt zu Johann Wilhelm Ludwig Gleim in Halberstadt und erfreute sich der Freundschaft mit Friedrich Heinrich Jacobi. Im Jahre 1784 entschloss sich Herder zur Herausgabe seines großen Hauptwerkes „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“, die bis 1791 abgeschlossen wurde. In ihm fanden alle Gedanken und Überlegungen Platz, die er im Laufe der Jahre über die Natur und das Leben, über die kosmische Bedeutung der Erde, über die Pflichten und Aufgaben der sie bewohnenden Menschen zusammengetragen hatte.

Nach Herder war der einzige Daseinszweck des Menschen auf Bildung der Humanität ausgerichtet. Humanität war in Herders Leben ein Schlüsselwort – es hätte auch heute wieder Priorität. Alles, was er über Sprachen und Sitten, Religion und Poesie, über die Bedeutung der Künste, über Wissenschaft und Geschichte dachte, fand hier seinen Niederschlag. Seine Vorstellungen über Erziehung griff Johann Heinrich Pestalozzi auf, Schiller, Goethe und Kant dachten ähnlich. Herder war ein Universalgenie, in vielen Bereichen der Wissenschaft, der Philosophie und Poesie zu Hause – manche, vor allem seine Gegner, hielten ihn freilich auch für einen Träumer.

Ähnlich wie Schiller konnte sich Herder anfänglich für die Ideen der Französischen Revolution begeistern, doch die Septembermorde von 1792 schreckten ihn ab. Dafür stürzte er sich umso erfolgreicher in seine philosophischen und dichterischen Arbeiten. Er lernte Novalis (Friedrich von Hardenberg) kennen und schloss Freundschaft mit Jean Paul. Doch Krankheiten trübten den Alltag.

Der alternde und kränkelnde Herder konnte noch manches Werk vollenden, dessen Bedeutung erst die Nachwelt zu würdigen verstand. Der Kurfürst von Bayern erhob ihn 1802 in den Adelsstand und auch die Ernennung zum Präsidenten des Oberkonsistoriums mag ihn erfreut haben. Doch kehrten seine physischen Kräfte nicht mehr zurück. Johann Gottfried Herder starb am18. Dezember 1803 in Weimar.

Er muss ein genialer Mensch gewesen sein, unerschöpflich in seinen Ideen und Gedanken, die die Humanität zum Ziel hatten, ein glänzender Formulierer, ein brillanter Essayist. Manche Weiche hat er für die spätere Entwicklung der Literatur und Philosophie gestellt, er legte u. a. den Grundstein zum Historismus. Achim von Arnim, Clemens Brentano, die Brüder Grimm haben eifrig von ihm gelernt. Franz Liszt vertonte Szenen aus Herders Drama „Der entfesselte Prometheus“.

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