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Christoph Werner: Der Bronstein-Defekt

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Friedrich der Große-Teil III

Friedrich der Große-Teil III

Christoph Werner

Flagge USA

Was ist, meine Leserinnen und Leser, ein großer König, ein großer Fürst? Mit welchem Recht wird Friedrich II. von Preußen „groß" genannt? Gehen wir zurück in der Geschichte, so fallen uns Namen ein wie Alexander der Große (356-323), Karl der Große (1747/48-814), Alfred der Große (849-899), Otto der Große (912-973), Peter der Große (1672-1725), Katharina die Große (1729-1796), der Große Kurfürst (1620-1688). Wir stutzen und wundern uns, dass nicht auch Elizabeth I. von England (the Virgin Queen, auch Good Queen Bess, 1533-1603), und Karl XII. von Schweden (1682-1718) unter die Großen gezählt werden.
Der Schweizer Historiker Jacob Burckhardt (1818-1897) hat eine Antwort auf die Frage nach der historischen Größe von Persönlichkeiten versucht. Er schrieb:

"Die als Ideale fortlebenden großen Männer haben einen hohen Wert für die Welt und für ihre Nationen insbesondere; sie geben denselben ein Pathos, einen Gegenstand des Enthusiasmus und regen sie bis in die untersten Schichten intellektuell auf durch das vage Gefühl von Größe; sie halten einen hohen Maßstab der Dinge aufrecht, sie helfen zum Wiederaufraffen aus zeitweiliger Erniedrigung."

Nach dieser Beschreibung spielt es eine keine Rolle, dass sich fast alle der aufgeführten „Großen", auch im Lichte ihrer Zeit, Untaten haben zuschulden kommen lassen, die unmittelbare Folge ihres Strebens nach Macht und Größe oder ihres Selbstverständnisses als gottgleich waren, wodurch sie sich keiner irdischen Appellationsinstanz unterworfen wussten. Manche allerdings fühlten sich einer Aufgabe und einer Verantwortung für ihr Land verpflichtet, der sie die Moralvorstellungen ihrer Zeit unterordneten.
Bei so unterschiedlichen Persönlichkeiten, wie sie Ihr Amateurhistoriker oben aufgezählt hat und unter Berücksichtigung so gänzlich unterschiedlicher historischer Umstände muss wohl zugegeben werden, dass es keine objektiven, dauerhaft gültigen Kriterien für Größe gibt. Auch die von Jacob Burckhardt aufgeführten bewegen sich daher bewusst im Vagen. Größe bleibt eine, wie der Historiker Kunisch schreibt, „fiktionale Kategorie, die allenfalls eine Annäherung an ein historisches Individuum ermöglicht."
Unter diesem Gesichtspunkt soll Friedrich II. von Preußen betrachtet werden.
Es geht hier nicht um seine Talente in der Musik, Literatur, Philosophie und Geschichte oder auf militärischem Gebiet, in denen ihm kein fürstlicher oder königlicher Zeitgenosse gleichkam. Der Rang, den er unter den Herrschern des 18. Jahrhunderts einnimmt, liegt in etwas Anderem begründet. Er hat sich wie kein zweiter mit seinem Beruf, dem des aufgeklärten absoluten Monarchen, intensiv und grundsätzlich auseinandergesetzt. Er hat die Maßstäbe seines Zeitalters, dem der Aufklärung, in welchem Rationalität sich ihren Platz neben oder über der Religiosität (im weitesten Sinn) zu erringen begann, auf die Analyse seines eigenen Herrschaftshandelns angewandt - eine geistige Leistung, die bis heute nicht jedem gelingt. Dass er dabei immer wieder in Widerspruch zu seinem machtorientierten Handeln als Staatsmann und Feldherr geriet, ist folgerichtig. Andernfalls hätte er nicht erfolgreich Politik zugunsten seines Landes betreiben können.
Friedrich selbst hat die Bezeichnung "groß", die ihm bereits 1742 Voltaire zuschrieb, wenn er ihn als "Frédéric le Grand" bezeichnete, von sich gewiesen. Auch wurde ihm der Titel niemals förmlich angetragen.
Friedrichs Art zu herrschen - und das gehört ebenfalls zu seiner Größe - bedingte ein Maß an Selbstentäußerung, ein Pflicht- und Arbeitsethos, das unter den barocken Zeitgenossen und auch später noch ungläubiges Staunen hervorrief. Am Ende seines Lebens galt ihm persönlicher Ruhm nichts mehr, das Wohlergehen des ihm „durch den blinden Zufall seiner Geburt" anvertrauten Staates alles. Das führte zu einer Verklärung seiner Person, die ihresgleichen in der neueren deutschen Geschichte sucht. Als der „Alte Fritz" wurde er bald volkstümlich und geradezu legendär. Die bis ins Groteske gehende Nichtbeachtung eigenen Wohlbefindens, die Verachtung aller höfischen Normen der Zeit, eine persönliche Distanz zu seiner Umgebung, die seine Zeitgenossen als abstoßende Kälte empfanden - das alles trug zur Aura seiner Größe bei. Sie liegt auch in seinem aufgeklärten Herrschaftsverständnis, das anders als Ludwig des XIV. „der Staat bin ich" den König zum „ersten Dieners seines Staates" erklärte.

 

 

Empfohlene Lektüre:

Carlyle, Thomas.1858-65. History of Friedrich II. of Prussia. Called Frederick the Great. Online Version: http://www.gutenberg.org/files/25808/25808-h/files/2101/2101-h/2101-h.htm#2H_4_0002, Zugriffsdatum 12. 04. 2011

Fernau, Joachim. 2008. (1972). „Deutschland Deutschland über alles ..." Von Anfang bis Ende. Mit 28 Zeichnungen von Günter Stephan. Berlin: Ullstein Taschenbuch

Frank, Bruno. 1952. (1926). Trenck. Roman eines Günstlings. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag

Haffner, Sebastian. 1981.(1979). Preußen ohne Legende. Bildteil von Ulrich Weyland, Fotos von Peter Thomann. München: Wilhelm Goldmann Verlag

Klepper, Jochen. 1993. (1937). Der Vater. Roman eines Königs. München: Deutscher Taschenbuch Verlag

Kunisch, Johannes. 2004. Friedrich der Große. München: Verlag C. H. Beck

Macauly, Thomas Babington. 1842. Frederick the Great. London.

Mann, Thomas. Friedrich und die Große Koalition. 1965. (1914). In: Altes und Neues. Kleine Prosa aus fünf Jahrzehnten. Berlin und Weimar: Aufbau-Verlag

Mittenzwei, Ingrid. 1980. Friedrich II. von Preußen. Eine Biographie. Berlin: VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften

 

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Bildquelle: Christian Daniel Rauch: Reiterstandbild Friedrichs des Großen (Unter den Linden, Berlin), Foto von Manfred Brückels, 2005. gemeinfrei, wikipedia  

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