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Christoph Werner: Schloss am Strom

Ein historischer Roman über das Leben und Sterben des Baumeisters Karl Friedrich Schinkel. 

Friedrich der Große-Teil I

Friedrich der Große-Teil I

Christoph Werner

Flagge USA

Was erwartete, meine Leserinnen und Leser, ein neugeborenes Kind im Jahre 1712 in Berlin? Jeder, ob wohlhabend oder arm, wurde hineingeboren in einen besonders kalten Abschnitt der Kleinen Eiszeit, der von ungefähr 1675 bis 1715 reichte. Das hieß, schwere lange Winter, nasskalte Sommer, geringe Ernteerträge, Teuerungen und Mangelernährung. Seuchen plagten die Menschen (allein im Pestjahr 1710 raffte die Seuche in der Provinz Preußen 102.000 Menschen dahin bei einer geschätzten Einwohnerzahl von 2 Millionen), und wer arm war, musste früher sterben als sein glücklicherer Zeitgenosse, dessen Eltern ihm eine warme Stube, ausreichend Nahrung und notfalls die Dienste eines Arztes bieten konnten. Letzteres war jedoch zuweilen von zweifelhaftem Wert, da die ärztliche Kunst sich zur Heilung von Krankheiten überwiegend der Ableitung von üblen Körpersäften mittels des Aderlasses bediente, was in vielen Fällen dem ohnehin geschwächten Körper des Kranken zu einem beschleunigten Exitus letalis verhalf.
Der Knabe jedoch, der am 24. Januar 1712 gegen Mittag im Berliner Stadtschloss das Licht der Welt erblickte, hatte gute Voraussetzungen, seine Kindheit zu überleben. Er hatte aber auch Glück.
Zwei seiner älteren Brüder waren im Säuglingsalter gestorben, der eine, wie gerüchteweise verlautete, weil der Großvater (als Kurfürst von Brandenburg Friedrich III., als Friedrich I. der erste „König in Preußen") vor dem Geburtszimmer so laute Freudenschüsse aus Kanonen abgeben ließ, dass das Kind „das böse Wesen" bekam und starb, der andere, weil die Goldkrone zu schwer war, die man ihm bei der Taufe auf den Kopf drückte.
Friedrich, der dritte Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm und seiner Frau Sophie Dorothea, überstand die Freudenbekundungen seines Großvaters sowie die Beschwernisse der Taufe. Zu seinen Taufpaten gehörten neben anderen Kaiser Karl VI., Zar Peter der Große, die Generalstaaten der Niederlande sowie der Kurprinz von Hannover, später König Georg II. von England, der der Bruder seiner Mutter war.
Die äußeren, die materiellen Lebensumstände des kleinen Kronprinzen waren vergleichsweise ausgezeichnet, doch erwarteten ihn in der Gestalt eines strengen, frommen, jähzornigen und gewalttätigen Vaters, des nachmaligen Königs Friedrich Wilhelm I., auch Soldatenkönig genannt, schwierige, peinigende Jahre. Peinigend waren sie allerdings auch für den Vater, der mit Schmerzen und Ingrimm beobachtete, wie sich der Kronprinz in eine Richtung zu entwickeln drohte, die seinen Wünschen genau entgegengesetzt war. Er musste fürchten, dass sein gewaltiges Aufbau- und Reformwerk in Brandenburg-Preußen durch einen leichtsinnigen und harter Arbeit abgeneigten Nachfolger gefährdet wurde. Er versuchte deshalb in der Verzweiflung seines schlichten Gemütes, den Sohn durch Demütigung und Prügel vom Musizieren, Lateinlernen, von schöngeistiger Lektüre und dem Schriftstellern abzubringen, verbog ihm dadurch den Charakter fürs Leben und legte bei ihm an, was Friedrichs Zeitgenossen als Menschenverachtung und Zynismus erleben mussten. Was aber Friedrich Wilhelms Befürchtungen anging, so wäre er sicher zufrieden gewesen mit dem Zustand, in dem sein Sohn das Königreich bei seinem Tode im Jahre 1786 hinterließ. Unter ihm war Preußen, wie das Land nun allgemein hieß, an Land und Leuten gewaltig gewachsen und zur europäischen Großmacht geworden.

 

 

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Bildquelle: Christian Daniel Rauch: Reiterstandbild Friedrichs des Großen (Unter den Linden, Berlin), Foto von Manfred Brückels, 2005. wikipedia

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