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Flechtwerk
Lebendige Nachbarschaft und Integration

so heißt die erste Ausgabe unserer neuen Zeitschrift

FLECHTWERK - Lebebendige Nachbarschaft und Integration

Die Deutschen sind ofener geworden und haben gleichzeitig mehr Sinn für Heimat, Familie und Nachbarschaft entwickelt. Es müssen neue Wege gesucht werden, um Ausgrenzung und Anonymität zu verhindern.

Johannes Reuchlin

Johannes Reuchlin

Florian Russi

Ein großer deutscher Humanist

Johannes Reuchlin (links), daneben Ulrich von Hutten und Martin Luther
Johannes Reuchlin (links), daneben Ulrich von Hutten und Martin Luther

Er war einer der großen Humanisten der frühen Neuzeit und steht in einer Reihe mit dem heute mehr bekannten Erasmus von Rotterdam (1496 - 1536). Johannes Reuchlin, 1455 in Pforzheim geboren, kam, wie er von sich selbst sagte, „von ganz unten aus dem Volk" und schaffte dann als Rechts- und Geisteswissenschaftler eine beachtliche Karriere. Zwei Eigenschaften zeichneten den Mann besonders aus: Seine herausragende Bildung und sein ungeheurerer Mut. Mit 15 Jahren hatte er in Freiburg (Breisgau) mit dem Studium begonnen und es in Paris, Basel, Orléans, Poitiers, Rom, Florenz, Tübingen und Nürnberg fortgesetzt.

Neben seinen rechtlichen stachen vor allem seine Sprachkenntnisse hervor. Er war der führende Kenner der Hebräischen Sprache und Schrift in seiner Zeit. Die von ihm verfassten hebräischen Sprachlehren („De rudimentis hebraicisi" (1506) und „De accentibus at orthographia lingua hebraica" (1518) wurden u. a. von Martin Luther für seine Bibelübersetzungen benutzt. Reuchlin schrieb viele wissenschaftliche Abhandlungen, aber auch Theaterstücke und Gedichte. Mit bedeutenden Philosophen, Theologen, Juristen, Bischöfen und Fürsten seiner Zeit stand er in engem Kontakt, 

JOhannes Reuchlin (Holzschnitt, 1516)
JOhannes Reuchlin (Holzschnitt, 1516)

Großen Mut musste er beweisen, als ihn Kaiser Maximilian mit einem Gutachten über die Vereinbarkeit jüdischer Literatur mit den Lehren der christlichen Kirche beauftragte. Vorausgegangen war, dass Maximilian im Jahre 1509 dem jüdischen Konvertiten Johann Pfefferkorn das Privileg erteilt hatte, alle jüdischen Schriften zu konfiszieren, die den christlichen Glauben beleidigten. Der gelernte Metzger Pfefferkorn nahm das zum Anlass, die gesamte jüdische Literatur, deren er habhaft wurde, zu beschlagnahmen und zu verbrennen. Als sich dagegen der Bischof von Mainz zur Wehr setzte, forderte der Kaiser vier Universitäten und zugleich den Inquisitor Jakob van Hoogstraten, den vom Judentum zum Katholizismus übergetretenen Priester Victor von Carben sowie Johannes Reuchlin auf, ihr Urteil zu dem Thema abzugeben. Der einzige, der sich gegen die Vernichtung der jüdischen Literatur aussprach, war der Gutachter Reuchlin. Er stellte klar, dass das religiöse Schrifttum der Juden das Christentum nicht in Frage stelle, sondern seinen eigenen historischen und kulturellen Charakter habe, der von jedermann zu achten sei. Die jüdische Religion werde in der römischen Kirche nicht als Ketzerei angesehen. Darüber hinaus bilde die jüdische Glaubensüberlieferung eine Grundlage der christlichen Religion. Die im römisch-deutschen Reich lebenden Juden seien als Bürger anerkannt. Es könne daher nur das Ziel sein, sie im christlichen Sinne zu belehren und nicht, ihrer Bücher zu verbrennen. Um sie zu belehren sei wiederum erforderlich, ihre Schriften zu kennen.

Diese Stellungnahme trug Reuchlin einen heftigen und lange anhaltenden Streit mit dem jüdischen Konvertiten und dessen Anhängern ein. Pfefferkorn legt seine Position in einer Streitschrift nieder, die er 1510 unter dem Titel „HandtSpiegel" herausbrachte. Reuchlin fasste seine Auffassungen in einer Replik mit dem Titel „Augenspiegel" zusammen, die im Jahre 1511 auf der Frankfurter Buchmesse für viele Diskussionen sorgte. Diese Auseinandersetzung ging als „Bücherstreit" in die Geschichte ein.

Titelseite "De arte cabbalstica" mit dem Wappen Reuchlins
Titelseite "De arte cabbalstica" mit dem Wappen Reuchlins

Pfefferkorn fand Unterstützung vor allem bei dem einflussreichen Inquisitor Hoogstraten, der Reuchlin der Ketzerei beschuldigte und beim Papst Anklage gegen ihn erhob. Diese Entwicklung war für Reuchlin hoch gefährlich. Die römische Kirche war zur damaligen Zeit noch sehr mächtig, aber innerlich zerrissen und verunsichert, was sich auch wenige Jahre später durch die Abspaltungen des Protestantismus zeigte. Zustimmung erhielt Reuchlin in anonymen Schriften, in denen dessen Gegner attackiert und verspottet wurden. Diese Schriften wurden als „Dunkelmännerbriefe" bezeichnet. Urheber sollen u. a. die Humanisten Ulrich von Hutten und Crotus Rubeanus gewesen sein. Im Jahr 1520 verbot der Papst die Verbreitung der Briefe. Sie wurden daraufhin eingestellt, was darauf hindeutet, dass die Autoren gläubige Katholiken waren. Ein päpstliches Gericht verurteilte Reuchlin zum Schweigen und untersagte die weitere Verbreitung des Augenspiegels.

Dass Reuchlin persönlich, d. h. in diesem Fall körperlich ungeschoren, aus der Affäre herauskam, war in erster Linie dem hohen Ansehen zu verdanken, das er als Jurist und Sprachkundiger unter den Fürsten seiner Zeit und auch beim Papst genoss.

Anders als bei Erasmus von Rotterdam († 1536) stellt sich bei Reuchlin nicht die Frage, wie er sich zum Protestantismus gestellt hat. Reuchlin starb bereits ein Jahr nach Luthers Auftritt vor dem Wormser Reichstag. Mit dem großen Reformator, von dem heftige antisemitische Ausfälle überliefert sind, hätte er sich zumindest in der Bewertung des Judentums gestritten. Während seiner Lehrtätigkeit in Ingolstadt (1519 -1521) lebte Reuchlin im Haus des Luthergegners Johannes Eck (1486 - 1543). Der berühmte protestantische Theologe und Philologe Philipp Melanchthon (1497 - 1560) war ein Enkel von Reuchlins Schwester Elisabeth. So verlief deutsche Geschichte.

 

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Literatur:
- Ludwig Geiger: Reuchlin, Johannes. In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 28, S. 785 - 799., Duncker u. Humblot-Verlag, München/Leipzig 1889.
- Hans Rüdiger Schwab: Johannes Reuchlin. Deutschlands erster Humanist. dtv, München 1998. ISBN 3-423-12609-4
- Eduard Kopp: Johannes Reuchlin. Der christliche Humanist schützte die jüdische Literatur vor den Scheiterhaufen der Inquisition. In: chrismon, Ausgabe 12/2011. S. 40.
 

Bildnachweise:
- Vorschaubild: Johannes Reuchlin, Schabkunstblatt veröffentlicht in "die großen Deutschen im Bilde" 1936.
- Johannes Reuchlin (links), daneben Ulrich von Hutten und Martin Luther. aus. "History von den fier Ketzren Prediger ordens", gedruckt in Straßburg 1521.
- Johannes Reuchlin, Detail eines Holzschnitts aus einem Einblattdruck, veröffentlicht in "Illustrierte Geschichte der deutschen frühbürgerlichen Revolution", Dietz Verlag Berlin 1974.
- "De arte cabbalistica", Hagenau 1530. Titelseite mit dem Wappen Reuchlins.
Alle Bilder gefunden in Wikipedia/Wikimedia Commons.

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