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Krabat

Florian Russi | Andreas Werner

Krabat ist die bekannteste Sagenfigur aus der Oberlausitz. Das Müllerhandwerk und das Zaubern hatte er vom "schwarzen Müller" erlernt, von dem man gemunkelte, dass er mit dem Teufel im Pakt stand. Irgendwann musste es zum Machtkampf zwischen Meisetr und Schüler kommen.

Die Hauptwirkungsstätte Krabats war die Mühle in Schwarzkollm, einem Dorf, das heute zu Hoyerswerda gehört. Die Mühle besteht noch und hat nach umfänglicher Restaurierung nichts von ihrer Romantik und Magie verloren. Seit 2012 finden hier die Krabat-Festspiele statt.

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Krabat und der Schwarze Müller

Krabat und der Schwarze Müller

Alfred Meiche

Als Krabat nach Hause kam, hatte sich seit Beginn seiner letzten Wanderschaft nichts an den ärmlichen Verhältnissen geändert: kein Geld und wenig Nahrung. Da es dem Jungen in der Mühle diesbezüglich um einiges besser ergangen war, konnte er die trockenen Kartoffeln nicht mehr essen, die die Eltern ihm anboten. Es dauerte nicht lange und er suchte seinen Stiefvater auf: »Vater, so kann es einfach nicht weiter gehen! Wir brauchen mehr Geld zum Leben und wenn es euch nicht möglich ist, mehr zu erwirtschaften, werde ich dafür Sorge tragen.« Darauf entgegnete dieser: »Nun, das ist ein guter Gedanke, mein Junge. Aber wie willst du das denn anstellen?« - »Nächste Woche ist Viehmarkt in Wittichenau«, antwortete Krabat, »und ich werde mich kurz zuvor in einen dicken Ochsen verwandeln. Dann müsst Ihr mich nur noch dorthin führen und verkaufen. Bedingung ist aber, dass Ihr mich an einen unehrlichen und hinterlistigen Viehhändler veräußert. Lasst Euch nur einen recht hohen Preis anbieten. Nur bedenkt eines: Gebt dem Käufer auf keinen Fall auch den Kopfstrick dazu, egal was dieser euch dafür auch anbieten möge. Anderenfalls wird es mir nicht mehr möglich sein, meine menschliche Gestalt anzunehmen und ich werde als Braten auf dem Tisch enden. Nach dem Verkauf geht auf direktem Wege und so schnell Euch Eure Beine tragen können nach Hause. Ich werde dann, sobald es mir möglich ist, folgen. «

Die Einwände des Vaters beachtete Krabat nicht. Er hatte sich fest vorgenommen, diesen Plan in die Tat umzusetzen. Also trat er nach dem Gespräch direkt vor die Tür, und schon nach einem kurzen Augenblick vernahm der Vater das laute Brummen eines Ochsen von draußen her. Gleich ging er hinaus, um das Tier anzuschauen und musste feststellen, dass Krabat sein Vorhaben sehr gut umgesetzt hatte. Denn vor ihm stand eines der stattlichsten Tiere, was er jemals gesehen hatte.

Der Tag des Viehmarktes rückte heran und so führte der Vater den Ochsen nach Wittichenau. Sobald das Tier von den Händlern gesichtet wurde, stritten sie sich regelrecht darüber, wer es kaufen dürfte. Es verwundert daher nicht, dass der Vater es dem höchstbietenden Käufer übergab und so eine ansehnliche Summe erhielt. Wie durch Krabat belehrt, nahm er dem Ochsen den Kopfstrick ab. Der Viehhändler führte ihn gleich darauf in Richtung Kamenz fort. Auf seiner Reise machte er an einer Gaststätte Rast, um sein gutes Geschäft gebührend zu feiern. Während der Händler sich gut bewirten ließ und auch das eine oder andere Bier und noch mehr vom Wein floss, wurde der Ochse in den Stall geführt. Der Stallmagd wurde aufgetragen, diesen mit Futter zu versorgen. Sie wollte gerade ihren Auftrag ausführen, als das Tier plötzlich mit menschlicher Stimme zu ihr sprach: »Bitte verzeih, aber Heu und Stroh esse ich nicht so gern. Ein schöner saftiger Braten wäre mir bei Weitem lieber!« Erschrocken wich die Magd langsam zurück, um zwischen sich und dem unheimlichen Tier möglichst viel Abstand zu bringen, machte auf dem Absatz kehrt und rannte dann, so schnell sie konnte, hinüber in die Gaststube, wo sie dem Besitzer den unglaublichen Vorfall berichtete. Natürlich sorgte sie damit bei diesem nur für lautstarkes Gelächter, denn er tat die Geschichte als Räuberpistole ab. Einer der anderen Händler allerdings wurde misstrauisch und ging mit ihr in den Stall, um sich selbst zu überzeugen. Kaum öffnete er die Stalltür, so kam ihm plötzlich eine Schwalbe entgegen geflogen, deren Gestalt Krabat zur Flucht nun angenommen hatte. Zum Entsetzen des Käufers war der Ochse aber nicht mehr im Stall und auch in der näheren Umgebung nach langer nächtlicher Suche nicht mehr aufzufinden. Durch diese erneute List erreichte der junge Hexenschüler sogar noch vor seinem Vater das elterliche Haus in Eutrich. Das tägliche Leben war nun mit dem verdienten Geld erträglicher und leichter. Das Haus konnte ausgebessert werden, der Tischler fertigte der Familie neue Möbel und sogar einen Gaul zum Ziehen von schweren Lasten konnten sie sich erwerben.

Doch nach einiger Zeit wurden die Geldmittel erneut knapp. Wieder ersann Krabat einen Plan, um Geld zu verdienen, und teilte diesen seinem Vater mit: »Ich werde mich diesmal in ein Pferd verwandeln, welches Ihr zum Markt führen sollt. Verkauft allerdings bloß nicht das Halfter und das Zaumzeug, denn anderenfalls werde ich für immer ein Pferd bleiben müssen. Nehmt beides mit zurück nach Hause, so wird alles gut gehen!«

Und so verwandelte sich der Knabe in einen prächtigen jungen Hengst. Der Vater saß auf und ritt nach Wittichenau zum Markt. Natürlich zog das schöne Pferd augenblicklich die Aufmerksamkeit eines jeden Händlers auf sich. Ein älterer Mann mit weißem Bart näherte sich sogleich und bot den höchsten Preis. Der Vater willigte ein, schenkte dabei dem eigenartigen Verhalten des Pferdes allerdings keinerlei Beachtung, welches beim Anblick des alten Käufers angefangen hatte, wild zu schnauben und versuchte, mit den Hufen den Vater anzustupsen. Nachdem der Handel abgeschlossen war, weigerte sich der alte Mann strikt, das Zaumzeug und das Halfter des Pferdes abzugeben und obwohl der Vater alles tat, was in seiner Macht stand, war an dem Starrsinn des Käufers nicht zu rütteln. So musste er unglücklich und hilflos zusehen, wie der bärtige Mann sich auf den Rücken des Pferdes schwang und mit rasender Geschwindigkeit davon ritt.

Der bärtige Käufer aber war kein geringerer als der böse Müller aus Schwarzkollm. Als dieser nämlich von der Ochsenlist gehört hatte, wurden sein Zorn und seine Wut gegenüber Krabat nur noch heftiger entfacht. Und so ließ er den armen Jungen schon während des Ritts seine Grausamkeit spüren, indem er das Pferd mit den Sporen und der Gerte zu rasendem Tempo durch Wald und Feld, Hecken und Dorn trieb. Nach dieser unsäglich entbehrenden Hetzjagd, ließ der Hexer ihn bei einer Schmiede anhalten. Dort wies er den Schmied dazu an, dass noch nicht beschlagene junge Pferd mit vier glühenden Eisen an den Hufen zu versehen. Der Beauftragte war über das Ersuchen seines Kunden sehr verwundert, ließ ihn dann aber absteigen, um selbst die passenden Hufeisen auszuwählen. Nachdem die beiden in den Flur eingetreten waren, erschien der Sohn des Schmiedes neben dem Pferd. In kindlicher Naivität war der Junge nicht sehr darüber verwundert, als das Pferd plötzlich mit menschlicher Stimme zu flüstern begann: »Erschreck dich nicht! Ich bin verzaubert und benötige deine Hilfe. Dafür musst du nur das Zaumzeug über mein linkes Ohr herunterziehen.«

Unbedarft kam der Knabe der Bitte des Hengstes nach. Kaum hatte er das Halfter ein Stück gelöst, war das Pferd verschwunden, und an seiner Stelle erhob sich eine Lerche in die Lüfte. Als der Müller der erneuten List seines Schülers gewahr wurde, stieß er laute Flüche aus und verfolgte nur wenige Zeit später als Raubvogel die Lerche. Als Krabat bemerkte, dass es für ihn vor dem schnellen Adler kein Entrinnen gab, stürzte er sich im Sinkflug hinab Richtung Erde, flog zügig in einen Brunnen und verwandelte sich dort in einen Fisch. Genau in diesem Moment kam ein junges Mädchen zum Brunnen gelaufen und tauchte die Hände ins Wasser. Sogleich nahm Krabat die Gestalt eines wunderschönen goldenen Ringes an und steckte sich hurtig an den Finger der Jungfrau. Der Hexenmeister aber, der jeden Schritt des Hexenschülers beobachtet hatte, trat als der alte weißbärtige Mann auf das Mädchen zu und bat sie, ihm den Ring zu verkaufen. Doch auch bei höchst gebotenem Preis blieb dieses standhaft und hartnäckig und schlug letztendlich den Handel aus. Da es sich bei dem Mädchen um eine reine Jungfrau handelte, hatte der böse Hexer keine Macht über sie.

Erbost über die neuerlichen Wendungen, musste der Müller sich zunächst damit begnügen, das Mädchen im Auge zu behalten. Es begab sich, dass die Maid mit einer Schürze voller Gerste zum Hühnerstall lief, um diese zu Füttern. Bei der Arbeit glitt ihr plötzlich der Ring von ihrem Finger und verwandelte sich sogleich in ein Gerstenkorn. Gleich darauf stolzierte ein fremder Hahn in den Hühnerhaufen und versuchte das Korn zu picken. Da Krabat wusste, dass der Hahn niemand anderes als der schwarze Müller war, so kam er ihm schnell zuvor und verwandelte sich in einen Fuchs, packte den Hahn blitzschnell mit dem Maul und riss ihn in Stücke. Damit hatte es mit dem bösen Lehrmeister ein Ende, der in der Ausübung seiner schwarzen Künste selbst durch seinen eigenen Schüler übertrumpft wurde. Damit nahm der Spuk um die schwarze Mühle ein jähes Ende. Was aus den übrigen Hexenschülern geworden ist, ist leider in keiner Überlieferung erwähnt. Krabat jedoch erlebte noch weitere spannende Abenteuer. Doch das ist eine andere Geschichte.


*****

Textquelle:

In Anlehnung an: Meiche, Alfred: Die Krabat-Sage, in: ders., Sagenbuch des Königreichs Sachsen, Leipzig 1903, S. 538-545; neu erzählt von Carolin Eberhardt.

Bildquelle:

Vorschaubild: Krabat-Figur in Weißwasser, Jürgen Bergmann (1989), 2015, Ureber: Tommes via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

Ochse, 2015, Urheber: Free-Photos via Pixabay CCO; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

Wilde Pferde, 2017, Urheber: susannp4 via Pixabay CCO; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

Mädchen am Brunnen, 2020, Urheber: Willgard via Pixabay CCO; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

Roter kleiner Fuchs, 2017, Urheber: TeeFarm via Pixabay; Hahn, 2016, Urheber: Pexels via Pixabay; CCO; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

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